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Angela Merkel will Kanzlerin
aller Deutschen werden

Souveräner Auftritt bei »Berlin Mitte« - von Stoiber-Äußerung distanziert

Von Dirk Schröder
Berlin (WB). Die Kanzlerkandidatin der Union, CDU-Chefin Angela Merkel, hat sich deutlich von den strittigen Äußerungen des CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber zu dem Wahlverhalten der Ostdeutschen distanziert. In der ZDF-Sendung »Berlin Mitte« vermied sie am Donnerstagabend jedoch direkte Kritik an dem bayerischen Ministerpräsidenten.

Die CDU-Vorsitzende betonte, Wählerbeschimpfung sei das Falscheste, was wir gebrauchen können«. »Alles, was dazu beiträgt, ob gewollt oder nicht gewollt, dass Deutschland letztlich eher wieder gespalten wird, als dass wir zur Einheit kommen, ist völlig kontraproduktiv.«
Es sei ein Aberglaube anzunehmen, dem Westen könne es allein und ohne den Osten gut gehen. Es gebe nicht wichtige und unwichtige Regionen, es gebe nur den Kampf um jede einzelne Stimme. »Ich möchte Kanzlerin aller Deutschen werden«, betonte eine in Hochform auftretende Merkel. 3,6 Millionen Zuschauer an den Fernsehschirmen (Einschaltquote: 17,8 Prozent) erlebten mit, wie die Kanzlerkandidatin präzise und kompetent der Moderatorin Maybrit Illner Rede und Antwort stand und keiner Frage auswich.
Einzige Ausnahme: Die Frage Illners nach Namen aus dem Wahlteam. Angela Merkel war nur zu entlocken, dass sie diese Mannschaft definitiv am Mittwoch vorstellen will. So ließ sie auch offen, ob der frühere stellvertretende Fraktionschef Friedrich Merz dazu gehören könnte.
Die CDU-Vorsitzende zeigte sich trotz der breiten Empörung über Stoibers Äußerungen siegesgewiss für die Bundestagswahl am 18. September. Für die verbleibenden 36 Tage bis zur Wahl hofft sie nun, dass sie sich »auf die Bayern verlassen« kann: »Ich glaube, Edmund Stoiber und ich, die CDU und CSU, können nur gemeinsam gewinnen. Und deshalb heißt es, alle Menschen überzeugen.«
Bei aller Distanz zu Stoibers Äußerungen gestand sie ihm aber auch zu, dass den CSU-Chef die Sorge um ein Erstarken der Linkspartei, der ehemaligen PDS, umtreibe. Die Linkspartei, die derzeit nach den Umfragen stärkste Kraft im Osten ist, sei nicht in der Lage, die Probleme zu lösen.
Eine große Koalition lehnte die CDU-Chefin erneut ab. »Ich hielte das für eine ganz ungute Konstellation und für eine Koalition, die Deutschland nicht voranbringen würde, weil der Bundeskanzler mit der Agenda 2010 vernünftige Schritte eingeleitet hat, genau damit aber gescheitert ist an seiner Partei.«
Die selbstbewusst auftretende Angela Merkel konnte auch ihren Fehler bei der Darstellung von Brutto und Netto lächelnd eingestehen: »Es fällt keinem Politiker ein Zacken aus der Krone, wenn er zugibt, sich unpräzise ausgedrückt zu haben.« Und genau dies sei ihr passiert.
Der Zielvorgabe für ein Wahlergebnis von 45 Prozent, auf die sich der CSU-Generalsekretär Markus Söder festgelegt hatte, schloss sich Merkel nicht an. »Wir sind eine Volkspartei und haben den Anspruch, über die Marke von 40 Prozent zu kommen.« Es gehe bei der Wahl entscheidend darum, zusammen mit der FDP die Mehrheit der Sitze im Bundestag zu erringen.
Gelassen reagierte Merkel auf die Kritik des potenziellen Koalitionspartners FDP an ihren Plänen für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte zum Jahreswechsel. Die FDP habe möglicherweise die Sorge, dass die Union zu stark werden könnte. Deshalb versuche sie, sich abzugrenzen. Am Ende würden CDU und CSU die FDP aber von den Notwendigkeiten überzeugen können. »Wir haben ja die große Union, und da wird realistische Politik stattfinden.«
Schließlich betonte Merkel, dass es mit einer von ihr geführten Regierung genausowenig deutsche Soldaten im Irak geben würde wie unter der Regierung Schröder. Der Unterschied in der Beurteilung des damaligen Vorgehens bestehe darin, »dass ich mir gewünscht hätte, dass Deutschland nicht als erstes Land ausgeschert wäre aus der Drucksituation, die die westlichen Demokratien hätten bilden müssen«. Ein gespaltenes Europa habe diesen Krieg nicht verhindert. »Ob er anders hätte verhindert werden können, weiß ich nicht. Ich kann nur feststellen, er ist nicht verhindert worden.« Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 13.08.2005