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Schüco bittet zum »Sonnenbad«

Bundeskanzler Gerhard Schröder zu Gast beim Solar-Weltmarktführer

Von Michael Diekmann, Manfred Matheisen (Text), Hans-Werner Büscher und Carsten Borgmeier (Fotos)
Bielefeld (WB). Gerhard Schröder auf den Spuren von Mika Häkkinen. Nach dem Formel-I-Weltmeister kam am Montag der Autokanzler. Großer Bahnhof mit 550 Gästen und ausgefeiltem Protokoll für den Regierungschef aus Berlin. Auf Einladung des IHC skizzierte Schröder seine Politik. Begleitet von Schüco-Chef Dirk U. Hindrichs erlebte er, wie energiepolitisch die Sonne aufgeht: beim technologischen Weltmarktführer in Sachen Solar.

»Hier muss eine Gasse bleiben. Das müssen sie durchsetzen, sonst bleibt zu wenig Platz für den Kanzler«, sagt die Frau mit Nachdruck. Sigrid Schalk hält Gerhard Schröder sprichwörtlich den Rücken frei. Die Expertin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung hat den Besuch in der Schüco-Solarfertigung perfekt im Griff. Gegen die Regieanweisungen der Fachkraft verblasst selbst die Vorsicht der Schüco-Offiziellen, die Entwicklungsabteilung und die modernste Produktion weltweit vor Indiskretionen zu schützen.
»So ein großer Aufwand gehört wohl dazu«, findet Maik Brinkmann (34). Der Chef der Schüco-Werksfeuerwehr gehört zum Stab des Weltunternehmens, der den hohen Besuch exakt vorbereitet und den Ablauf bis in die Details geplant hat. Bereits vor einer Woche haben die Profis aus Berlin alle Punkte für Presse und Sicherheit festgelegt. Jetzt gilt«s.
Montag, kurz nach 15 Uhr, entspannt sich Ayk (5) bereits im Heck des Dienstwagens, während sein Chef Michael Hensel einen Schluck Kaffee nimmt. Der Sprengstoffhund und seine fünf vierbeinigen Kollegen haben bereits das Schüco-Gelände an der Potsdamer Straße gründlich abgesucht. Wo im Alltag 250 Fachkräfte Spitzentechnologie in Sachen Solar produzieren und entwickeln, konzentriert sich heute alles auf den Kanzler. Höchste Sicherheitsstufe, menschenleerer Hof, leergeräumte Parkplätze, dafür jede Menge Polizeifahrzeuge, ein Notarztwagen für alle Fälle, Dutzende Mitarbeiter eines Sicherheitsunternehmens, die aber auch jede einzelne Tür schützen.
Hektisches Treiben auch im Innenraum des Solarzentrums. Jörg Vehmeier, Norbert Harbig und Gerd Imkamp fallen durch ihre einheitliche Kleidung auf: hellblaues Poloshirt, schwarze Funktionshose. »Wir sind da, um dem Kanzler beim Rundgang Fragen zu beantworten«, verrät Norbert Harbig, Leiter des Schulungszentrums.
Als kurz vor 16 Uhr die ersten Besucher eintreffen, ist der Hubschrauber des Kanzlers im Anflug auf die Radrennbahn. Nur das Präsidium des gastgebenden Industrie- und Handelsclubs und einige ausgesuchte Gäste werden Schröder und Hindrichs auf ihrem Weg durch das Technologiezentrum begleiten: IHK-Präsident Herbert Sommer, Unternehmer Gerhard Weber, Erhard Kiezewski (IHC), Dr. Daniel Terberger (Katag), Walter Metzen (Staff), Dr. Peter Ulrich (Mercedes-Benz), Oberbürgermeister Eberhard David, Dr. Peter von Möller, Europaparlamentarierin Mechthild Rothe und der Bundetagsabeordnete Dr. Rainer Wend.
Um 16.30 Uhr geht alles ganz schnell: Der Kanzler kommt. Begleitet von Hausherr Dirk U. Hindrichs stürmt der Mann aus Hannover im dynamischen Schritt. Kurze Begrüßung in die Runde. Einige Informationen von Hindrichs über die große Bedeutung der Solartechnologie, um sich vom Öl abzukoppeln und zu einer ökologisch und ökonomisch verträglichen Gesamtlösung in der Energieversorgung zu kommen. Schröder lauscht aufmerksam. Dann der Wunsch der Fotografen, Blick durch das Dachfenster in der Ausstellung. »Kein Problem, mache ich gleich«, bemerkt Schröder, klettert mit Hindrichs hinter die Fassade. Die Kameras klicken.
Der Rundgang durch die Produktion findet ohne Öffentlichkeit statt. Da dürfen nur die wenigen geladenen Gäste mit, unterstreicht Schüco-Sprcher Thomas Lauritzen. 20 Minuten später steht Schröder wieder vor den Mikrofonen. Gekonnt rückt er das Engagement des Bielefelder Weltmarktführers ins richtige Licht, würdigt die globale Bedeutung, aber auch die Verantwortung für die Schaffung neuer Arbeitsplätze am Standort Deutschland.
Eingerahmt von Blaulicht geht es dann über den Ostring zur Schüco-Zentrale, wo 550 Gäste, Rekordbesuch beim IHC, bereits warten.
Hindrichs erntet großen Beifall, als er in der Einführungsrede den Kanzler fragt, wie es zu bewerkstelligen sei, »uns einen Altkommunisten und einen beleidigten Saarländer vom Hals zu halten«. Auf die beim IHC üblichen biographischen Anmerkungen wolle er verzichten, sagt Hindrichs: »Wir gehen davon aus, dass Sie bekannt sind.«
Schröder gibt sich in seiner 30-minütigen Rede ganz staatsmännisch. Ein Raunen geht durch die Halle als er Deutschland »82 Milliarden Einwohner« statt 82 Millionen zuschreibt - und sich nicht korrigiert. »Schau her«, meint ein Besucher mit ironischem Unterton, »auch ein Kanzler kann sich also versprechen. . .«
Hindrichs lädt den Kanzler und das IHC-Präsidium nach Schluss der Veranstaltung noch zu einem Inbiss in den Schlichte Hof ein. Dann entschwebt Schröder im Hubschrauber in Richtung Hannover.
Erhard Kiezewski, agiler Geschäftsführer des IHC, atmet tief durch. »Alles prima gelaufen. Dann kann ich ja wieder in Urlaub fahren«. Den hatte er nämlich wegen des Kanzlerbesuches kurzfristig unterbrochen.

Artikel vom 09.08.2005