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Turbo-Tobi fühlt sich schön frisch

Unger gegen die US-Amerikaner

Helsinki (dpa). »Turbo-Tobi« Unger läuft vor seinem WM-Start heiß und kann den Startschuss kaum erwarten.

»Ich bin jetzt schön frisch und ganz froh, dass ich die 100 Meter ausgelassen habe«, sagte die große deutsche Sprinthoffnung vor den heutigen 200-Meter-Vorläufen. »Ich habe den Anspruch, dass ich ins Halbfinale möchte. Gedanken an eine Medaille möchte ich nicht verschwenden.« Unger hat auch noch etwas gutzumachen: Bei seinem ersten WM-Auftritt vor zwei Jahren in Paris erlebte er seine schwärzeste Stunde und schied als Sechster im Vorlauf mit 21,33 Sekunden aus.
»So etwas«, schwor er sich damals, »soll mir nie mehr passieren.« Danach machte der 26-Jährige vom LAZ Kornwestheim/Ludwigsburg Karriere im Blitztempo: Dritter bei der Hallen-WM in Budapest, Olympia-Siebter in Athen, Hallen-Europameister in Madrid, deutscher Rekord bei den nationalen Titelkämpfen in Wattenscheid in 20,20 Sekunden. Mit dieser Zeit steht Unger in der Weltbestenliste auf Rang neun. Der US-Amerikaner Wallace Spearmon war in diesem Jahr am schnellsten (19,89) und Unger schätzt auch 100-Meter-Weltmeister Justin Gatlin hoch ein. Der Jamaikaner Usain Bolt ist Dritter, der Brite Christian Malcolm steht als einziger Europäer noch vor Unger. »Ich hoffe, dass nicht wieder wie in Athen drei Amerikaner gewinnen. Das ist auf Dauer langweilig«, sagte der deutsche Meister.
Obwohl auf Ungers Schultern viele Erwartungen lasten, wirkte der Student der Sportwissenschaften ganz locker. »Ich sehe mich nicht als Hoffnungsträger für den Deutschen Leichtathletik-Verband. Ich habe zwar mit den 20,20 Sekunden eine tolle Zeit stehen, aber international noch nichts Riesiges erreicht in diesem Sommer.« Das Abschlusstraining in der finnischen Hauptstadt verlief nahezu perfekt. »Wenn mein Trainer nichts sagt, ist das das größte Kompliment«, erklärte Unger, bevor er am Montag nochmal die Beine hochlegte. Im Sportgeschäft von Micky Corucle in Köngen bei Stuttgart hängt derzeit ein Schild an der Tür: »Wegen Betreuung von Tobias Unger bei der Leichtathletik-WM diese Woche geschlossen.«
Die erste Kraftprobe bei der WM hat Unger allerdings verloren: Am Montag bei einer Pressekonferenz hielt der deutsche Diskus-Riese und Bronzemedaillengewinner Michael Möllenbeck seinen mächtigen Unterarm an Ungers Oberarm. Da mussten die beiden herzlich lachen, als kein Unterschied festzustellen war.

Artikel vom 09.08.2005