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Heute Streiks
im Einzelhandel

Schwerpunkt Möbelhäuser in OWL

Von Edgar Fels
Bielefeld (WB). Der Tarifkonflikt im Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen eskaliert. Bereits heute soll es in der Region Ostwestfalen-Lippe zu Warnstreiks mit dem Schwerpunkt Möbelhandel und »Marktkauf« (AVA) kommen.

Nachdem die Arbeitgeberseite einen für den vergangenen Donnerstag vereinbarten Verhandlungstermin mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi abgesagt hatte, hat gestern die Verdi-Tarifkommission die Verhandlungen für gescheitert erklärt. Die Gewerkschaft fordert für die 410000 Beschäftigten in 25000 Betrieben im NRW-Einzelhandel - in OWL sind es etwa 50000 Beschäftigte - 3,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt, mindestens aber 70 Euro. Zudem solle der gekündigte Vertrag über Sonderzahlungen wieder in Kraft gesetzt werden. Die Arbeitgeber hatten nach Angaben von Verdi in den bisherigen drei Verhandlungsrunden kein Angebot vorgelegt.
Stattdessen stellten sie nach Aussage von Gewerkschaftssekretär Klaus-Werner Gnadt einen Sechs-Punkte-Forderungskatalog auf. Dieser sieht vor: keine Erhöhung der Personalkosten, Absenkung tariflicher Leistungen, Weihnachts-/Urlaubsgeld nur bei unternehmerischem Erfolg, weitere Flexibilisierung der Arbeitszeit, niedrigere Einstiegsgehälter für Arbeitslose sowie Senkung der Ausbildungsvergütung.
Eine besondere Problematik sei das Verhalten der großen Möbelhändler (etwa 2000 Beschäftigte in OWL), erklärte Gewerkschaftssekretär Dirk Nagel. »Hier werden Beschäftigte in Einzelgesprächen massiv unter Druck gesetzt, neue verschlechterte Arbeitsverträge zu unterzeichnen.« 2,5 Stunden unbezahlte Mehrarbeit pro Woche (130 Stunden im Jahr) bedeute bei einer Vollzeitkraft (knapp 2000 Euro im Monat) ein Gehaltsverlust von 1583 Euro im Jahr. Nagel, der eine »abgestimmte Aktion« der Möbelhäuser vermutet und in dieser Auseinandersetzung eine »neue Qualität« sieht: »Da greifen die Arbeitgeber direkt in die Kaufkraft der eigenen Beschäftigten ein.« Betroffen seien unter anderem Zurbrüggen (Bielefeld), Finke (Paderborn) und seit gestern auch Porta (Porta Westfalica). Nagel: »Jeder versucht, sich einen Kostenvorteil zu verschaffen. Dadurch neutralisieren sie ihren Vorteil aber wieder.« Wirtschaftlich gehe es den genannten Unternehmen gut, sagte Nagel weiter. Die Gehalts- und Lohntarifverträge des Einzelhandels in NRW waren am 1. April gekündigt worden. Der Manteltarifvertrag sei frühestens im September für Ende des Jahres kündbar, sagte Nagel. Schon jetzt werde versucht, den Manteltarifvertrag auszuhebeln.
Bereits am heutigen Dienstag sollen mehrere Möbelhäuser in OWL bestreikt werden, zudem Märkte der AVA Allgemeine Handelsgesellschaft der Verbraucher (Marktkauf). Verdi stellt sich auf einen längeren Arbeitskampf ein, der nach Meinung von Gewerkschaftssekretär Heinz Henning bis Weihnachten andauern könnte.

Artikel vom 09.08.2005