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Wenn Mama oder Papa
nicht mehr »funktioniert«

Mutter-Kind-Kuren dienen der Vorsorge und der Heilung bestehender Krankheiten

Von Larissa Kölling
Bielefeld (WB). Wenn Mütter nicht »funktionieren«, wird es häufig eng im Familienalltag. Doch nicht immer können Frauen ihre Aufgaben in Familie, Beruf, sozialem Umfeld und sonstigen Bereichen so perfekt erfüllen, wie sie es selbst möchten. Erschöpfung, körperliche Beschwerden oder psychische Belastungen setzen ihnen zu. Plötzlich ist der »Akku« einfach aufgebraucht.

Eine Möglichkeit, die notwendige Erholung und Behandlung zu erhalten, ist die sogenannte Mutter-Kind-Kur, die es inzwischen auch für Väter gibt. Der mehrwöchige Aufenthalt in einer Fachklinik löst die Frage: »Wohin in dieser Zeit mit dem Nachwuchs?« Die Kinder können ihre Mutter begleiten. Normalerweise werden Kinder zwischen drei und zwölf Jahren aufgenommen, es gibt aber auch Kliniken, die schon Kinder unter einem Jahr aufnehmen.
Der Familienalltag lässt oft keine echten Ruhepausen zu: Einsatz im Job, anstrengende Entwicklungsphasen der Kinder, Schulstress oder gar massive Probleme in der Elternbeziehung sind Beispiele für Belastungen, über die in der Öffentlichkeit wenig berichtet wird. Schlägt die Anstrengung auf Körper oder Seele durch, können Eltern zum Teil nicht mehr ausreichend Abstand gewinnen, um mögliche Verbesserungen in ihrem Alltag zu erkennen, zu durchdenken und konkret umzusetzen. Viele Mütter geraten durch diese vielfältigen Anforderungen in einen Überlastungskreislauf, der in Deutschland bei etwa 20 Prozent der Mütter zu behandlungsbedürftigen gesundheitlichen Problemen führt. Dazu gehören vor allem psychosomatische Störungen wie Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Unruhe- und Angststörungen, Herz-Kreislaufprobleme und das sogenannte »Burn-Out-Syndrom«.
In der Mutter-Kind-Kur wird nach einer Erstuntersuchung durch den behandelnden Arzt oder die Ärztin eine individuelle Auswahl an Anwendungen verordnet, die zur persönlichen Diagnose passen. Gesundheitliche Themen wie Rückenprobleme, Allergien oder Übergewicht bekommen im Alltag oft nicht die notwendige Aufmerksamkeit, um wirklich angegangen zu werden. Fehlende Zeit für Arztbesuche der Mutter oder deren Erschöpfung stehen zum Beispiel regelmäßigen Übungen im Weg - besonders wenn Kleinkinder rund um die Uhr zu betreuen sind.
Wenn jedoch über mehrere Wochen gezielt daran gearbeitet werden kann, stehen die Chancen für eine dauerhafte Besserung der gesundheitlichen Probleme gut -Ê besonders dann, wenn nicht mühsam ein Babysitter organisiert oder zu Terminen gehetzt werden musste.
In diesen Kuren wird häufig Fachinformation angeboten, die Mütter in ihren unterschiedlichen Anliegen unterstützt. Ärztliche Vorträge beschäftigen sich unter anderem mit Atemtechniken bei Asthma, in heilpädagogischen Referaten werden Themen wie »hyperaktive Kinder« behandelt. Interessant sind auch Beratungen von Diätassistenten, die verschiedenste Ernährungsfragen klären können. So können sich Frauen intensiv mit »ihren« Themen auseinander setzten, Neues erfahren und Ideen für ihren Alltag als Familienmütter mitnehmen.
Langzeituntersuchungen des Forschungsverbandes Prävention und Rehabilitation für Mütter und Kinder der Medizinischen Hochschule Hannover haben ergeben, dass jeder Euro, der für solche Kuren ausgegeben wird, langfristig zu Einsparungen an anderer Stelle im Gesundheitswesen führt. Der Grund: Mutter-Kind-Kuren wirken nachhaltig. Noch sechs Monate nach der Kur beeinträchtigen Beschwerden Mütter im Alltag deutlich weniger, die durchschnittliche Zahl der Arztbesuche sinkt von fünf auf drei im Halbjahr und die Zahl der Krankheitstage von durchschnittlich 10,7 auf 6,5. Ebenso kann die Einnahme von Schmerz- und Schlafmitteln deutlich gesenkt werden. Insgesamt liegt der volksgesundheitliche und wirtschaftliche Nutzen in der Eindämmung und frühen Rehabilitation von psychosomatischen Erkrankungen.
Mutter-Kind-Kuren beziehungsweise Eltern-Kuren können über einen Träger wie zum Beispiel dem Müttergenesungswerk, das im Jahr 2004 in 93 Einrichtungen 41000 Mütter mit 57000 Kindern behandelt hat, beantragt werden. Ein ärztliches Attest vom Arzt für die Mutter und für das Kind oder die Kinder, falls diese ebenfalls behandlungsbedürftig sind, ist vorzulegen. Sind die Kinder Begleitpersonen, ist dies nicht notwendig. Bewilligt wird die Kur von der jeweiligen Krankenkasse. www.muetter-genesungswerk.de

Artikel vom 12.08.2005