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Springer steckt 2,5 Milliarden ins TV

Zeitungsverlag kauft ProSiebenSat.1 - zweitgrößter Medienkonzern nach Bertelsmann

Von Michael Able
München (Reuters). Der Axel-Springer-Verlag übernimmt den TV-Konzern ProSiebenSat.1 und formt dadurch einen Mediengiganten mit auflagenstarken Zeitungen und TV-Sendern unter einem Dach. »Es ist die richtige Transaktion zur richtigen Zeit«, sagte Springer-Chef Mathias Döpfner am Freitag.

Springer übernimmt zunächst für 2,5 Milliarden Euro die gesamten Anteile der ProSiebenSat.1-Mehrheitsaktionäre um den US-Milliardär Haim Saban und erhält dadurch alle stimmberechtigten Stammaktien an des TV-Konzerns. Mittelfristig ist die Fusion des größten europäischen Zeitungsverlegers mit ProSiebenSat.1 geplant.
Die Journalistenvereinigung DJV nannte den Plan ein verheerendes Signal für die Meinungsvielfalt in Deutschland. Döpfner versuchte, die Furcht vor einer zu großen Meinungsmacht des Konzerns zu zerstreuen, zu dem dann auflagenstarke Zeitungen wie »Bild« und »Die Welt« und Fernsehsender wie Pro7, Sat1 und der Nachrichtenkanal N24 gehören würden.
Durch den Zusammenschluss entsteht der zweitgrößte deutsche Medienkonzern nach Bertelsmann, der aber gemessen am Umsatz nur etwa ein Viertel so groß ist wie der Konkurrent aus Gütersloh. Selbst im Inland erzielt Bertelsmann höhere Erlöse als die Springer-ProSieben-Gruppe mit zuletzt gut 4,2 Milliarden Euro.
Döpfner sprach von hervorragenden Perspektiven und nannte seinen Verlag den »natürlichen Partner« für ProSiebenSat1. Gemeinsam erziele man 13 Prozent der deutschen Werbeeinnahmen und sei bestens gewappnet, um bei einer Erholung des Umfelds enorm zu profitieren.
Jedoch rechne sich die Übernahme auch ohne eine wirtschaftliche Wende und auch ohne die vermutlich nur geringen Synergieeffekte. »Diese Transaktion steht für Kontinuität, für Qualität und für Profitabilität«, sagte er.
ProSieben-Chef Guillaume de Posch sagte, die Übernahme gewährleiste Kontinuität bei der TV-Gruppe. Der Vertrag mit den Mehrheitseignern von ProSiebenSat.1 wurde nach Angaben der Firmen nach einer durchverhandelten Nacht am Freitagmorgen unterzeichnet. Neben allen Stammaktien hält Springer anschließend auch 25 Prozent der börsennotierten Vorzugsaktien. Den übrigen ProSieben-Aktionären soll ein Barangebot von vermutlich 14,10 Euro je Aktie gemacht werden.
Bei der Verschmelzung sollen dann nicht getauschte Aktien in neue Springer-Vorzugsaktien umgewandelt werden. Die Stimmengewichte bei Springer ändern sich daher nicht. Die Witwe von Verlagsgründer Axel Springer, Friede Springer, wird weiter 60 Prozent der Stimmrechte kontrollieren. Insgesamt bewertet Springer das TV-Unternehmen mit Sitz in Unterföhring bei München mit gut vier Milliarden Euro.
Gewerkschaften warnten vor einer zu großen Meinungsmacht durch Medienkonzerne in Deutschland. »Eine solche Medienmacht in einer Hand ist verheerend für die Meinungsvielfalt in Deutschland«, sagte DJV-Chef Michael Konken. Verdi-Vize Frank Werneke forderte neue Mittel zur Begrenzung der Medienmacht, da Rundfunkstaatsvertrag und Kartellrecht nicht ausreichten.
Springer-Chef Döpfner sagte dazu, die Vielfalt in Deutschland werde durch starke private und öffentlich-rechtliche TV-Sender sowie die Vielzahl unabhängiger Zeitungsverlage gewährleistet. »Im übrigen pflegen wir in beiden Unternehmen das Prinzip der Chefredakteursfreiheit und der journalistischen Unabhängigkeit«, sagte er. Durch die Übernahme erfüllt Döpfner auch den Traum des verstorbenen Verlagsgründers Axel Springer, der immer mit dem TV-Geschäft geliebäugelt hatte.

Artikel vom 06.08.2005