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Tolle Ideen und Preise zuhauf

50 Jahre »Bielefelder Filmfreunde« - Amateure drehen auf hohem Niveau

Von Matthias Meyer zur Heyde und Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld/Herford (WB). Ein Mann hinter einer Zeitung. Eine Nachricht. Ein Kommentar. Ein Anruf. Eine Pointe. Diese in nur 40 Sekunden verfilmte Geschichte mit punktgenauer Landung ist preisverdächtig. Erzählt wird sie von einem Amateur der »Bielefelder Filmfreunde« - die feiern demnächst 50-jähriges Bestehen.

»Knipsen kann jeder, filmen will gelernt sein«, sagt Egmont Zieseniß, der den 40-Sekünder ganz alleine realisierte. Der Bielefelder Biologe schrieb das Drehbuch, schnitt das Rohmaterial, unterlegte den Ton - »dass man seine digitale Kamera beherrscht, wird vorausgesetzt.« Die Club- und Arbeitsabende der »Bielefelder Filmfreunde« dienen nicht nur der Vorführung eigener Produktionen, sondern hier werden Techniken in praxi vorgeführt und fertige Filme kritisch kommentiert.
Wochenlang hat Eckhard Schmale an seiner Dokumentation »Harte Arbeit für gute Stimmung« gefeilt. Das fing bereits mit dem Titel an, der ursprünglich »Lederhose im Licht« heißen sollte, »aber das haben mir die Vereinsfreunde schnell ausgeredet.« Schmale zeigt den hochkomplexen Aufbau einer Musik- und Lichtanlage für die Herforder Werretalhalle, durch die später ein Discjockey in Lederhosen tobt. Rasende Beats untermalen die Szenen, in denen die Technik dominiert, entspannte Lala kommentiert das Treiben in der zur Disco hochgerüsteten Halle.
Was hätte Schmale anders, vielleicht besser machen können? Die Runde diskutiert. »Erst den Tanz, dann den Aufbau zeigen«, schlägt Tom Winkler vor, weil dadurch das Spannungsverhältnis von harter Arbeit und Freizeitvergnügen pointierter ins Auge falle. Winkler (87) aus Jöllenbeck ist ein international renommierter Amateurfilmer, doch nicht alle sind mit dem Vorschlag einverstanden.
»Schnellere, der Musik angepasste Schnitte«, wünscht sich Dr. Rainer Lübking, Geologe aus Bad Salzuflen. »Den Disco-Teil kürzen, dafür auch den Abbau zeigen, damit ein ÝDreiteilerÜ entsteht«, meint der Versicherungskaufmann Jürgen Naas (Extertal). Einig sind sich aber alle, dass Schmale ein schönes Werk geglückt ist.
Was perfekt ist, räumt Preise ab. Zunächst auf Clubebene - in Deutschland existieren 250 vergleichbare Vereine -, dann bei Landeswettbewerben, schließlich bei den bundesweit ausgetragenen Kategorienfestivals - hier werden Dokumentationen und Familienfilme, Sportstreifen und Reisebeschreibungen, Ein-Minüter und Fantex-Filme (Phantasie und Experimental) prämiert.
Die Preisliste der 29 Mitglieder der »Bielefelder Filmfreunde« ist lang; vor allem Ellen Heckert hat ein goldenes Händchen. Ihr Opus über die Lüneburger Heide, »Eine schöne Katastrophe« (die Landschaft entstand im Mittelalter nach Raubbau an der Natur), könnte problemlos in den Naturreihen von ARD und ZDF laufen. »Einmal habe ich den WDR gefilmt, wie er uns in Rödinghausen für die Serie ÝDorfplatz, Schlag 10Ü filmte - auch das gefiel den Juroren«, erzählt Ellen Heckert.
Lübkings philosophische, historische und naturwissenschaftliche Betrachtung namens »Zeit«, gespickt mit aufwendiger Überblend- und Tricktechnik, findet clubintern ebenfalls große Anerkennung. »Prädestiniert für Wettbewerbe«, konstatiert der Vereinsvorsitzende Hanspeter Gerecke. »Angst« von Dr. Günter Klefenz hat bereits einen dritten Landespreis gewonnen. Der Film zeigt eine junge Frau, auf deren Arm eine riesige behaarte Vogelspinne gesetzt wird. »Jahrelang lag das Material herum, bis mir die Erleuchtung kam«, berichtet Klefenz. Seine Idee: Eine Sprecherin aus dem Off erzählt minutenlang von ihrer Angst, der Zuschauer blickt in entsetzte Gesichter - und am Ende stellt sich heraus: Es ist es die Spinne, die geredet endlich wieder in ihr sicheres Terrarium zurückkehren darf!
Die Ansprüche der Amateurfilmer an die eigenen Produktionen variieren, ihre Fertigkeiten sind unterschiedlich entwickelt, aber man tauscht sich aus. Ob Ideen für ein Drehbuch gefragt sind oder ob man die passende Schneidetechnik sucht: »Jeder hat seine Stärken, die er ins Spiel bringen kann«, erklärt Erwin Heckert. »Denn teure Technik allein macht noch keinen guten Film - das schafft erst die vom Menschen erdachte Geschichte«, fügt Joachim Koth hinzu, mit seinen 78 Jahren ein alter Hase im Geschäft.
Die »Filmfreunde«, die aus einer losen Vereinigung im Umfeld des einstigen Fotogeschäfts Hergeröder hervorgingen. bereiten derzeit mit Hochdruck ihre 50-Jahr-Feier in Bielefeld vor. Sie treffen sich an jedem ersten und dritten Mittwoch in Herford, im AWO-Begegnungszentrum an der Kastanienallee 29. Interessenten sind jederzeit herzlich willkommen und treten am besten telefonisch mit Gerecke (0 52 21 / 8 28 05) oder Heckert (0 57 46 / 409) in Verbindung.

Artikel vom 06.08.2005