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Protest gestoppt - Sorge bleibt

Siedlerbewegung noch lange nicht am Ende - Alles schaut auf 17. August

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld/Ofakim
(WB). Kein Aufatmen in Israel, obwohl der zweite Siedleransturm auf Gaza erst einmal gestoppt werden konnte.
Israel will am 17. August alle 22 jüdischen Siedlungen in Gaza räumen. Das Land steht vor einer Gratwanderung.

Tausende ultra-nationalistische Israelis mussten ihren Protestzug in den Gaza-Streifen abbrechen, nachdem ein Großaufgebot an Sicherheitskräften den Weg versperrte. »Angesichts des massiven Polizeiaufgebotes haben wir die Entscheidung getroffen, zurückzukehren«, sagte ein Sprecher der Siedler gestern Morgen. »Der Kampf wird weitergehen, aber wir gehen zurück, um auszuruhen.«
Die Israelis wollten aus Protest gegen die für den 17. August geplante Räumung der jüdischen Siedlungen im Gaza-Streifen von der Ortschaft Ofakim aus in den 20 Kilometer entfernten Gaza-Streifen marschieren.
»Das ist nicht das Ende der Siedlerbewegung«, berichtete Stephan Vopel gestern aus Israel. Der Projektmanager der Gütersloher Bertelsmann-Stiftung beobachtet das Geschehen vor Ort. Trotz vielfältiger Unterschiede bildeten die 7500 Siedler in Gaza und bis zu 200 000 auf der Westbank eine einheitliche Gruppe. Sie fürchteten, dass die Räumung von 21 Siedlungen hier sowie vier der 120 Siedlungen im Westjordanland nur der Anfang sei. »Deshalb versuchen sie, die Aktion so schwierig und hindernisreich wie möglich zu gestalten«
Der politische Konsens in Israel, dass ein Rückzug erforderlich sei, könnte in den kommenden Wochen zwei verschiedenen Gefährdungen ausgesetzt sein, so Vopel.
Blutige Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Siedlern seien nicht auszuschließen, würden aber zahlenmäßig voraussichtlich begrenzt bleiben. Vopel macht die folgende Rechnung auf: Von 1700 Siedlerfamilien haben bereits 900 ihre Räumung vorbereitet. Auch viele der übrigen 800 Familien dürften jetzt noch den Abzug einleiten, weil es für die, die bis zuletzt bleiben, sehr viel weniger generöse Entschädigung gebe. Heikler als der Umgang mit dem verbleibenden harten Kern an Gaza-Siedlern dürfte der Umgang mit einer auf 2000 Köpfe geschätzten Gruppe von eingesickerten Sympathisanten werden. Dennoch, so Vopel, bestünde Hoffnung, dass »nur der allerkleinste Teil zur Waffe greift«.
Problematischer für den politischen Konsens in Israel seien mögliche Mörser-Angriffe von radikalen Palästinensern. In konzentrischen Ringen würden um das 380 Quadratkilometer große Gaza-Gebiet bis zu 60 000 israelische Militärs und Polizisten zusammengezogen.
Hamas und Dschihad hätten, so Vopel, mit bis zu 35 Prozent Stimmenanteilen bei den Wahlen gezeigt, wie stark sie sind. Sollte es den Radikalen gelingen, Israels inneren Frieden aus dem Gleichgewicht zu bringen, hätte das auch Konsequenzen für die Palästinenser-Führung um Mahmud Abbas. Vopel: »Dann dürfte die wiederum Probleme haben und benötigte Unterstützung von außen.«

Artikel vom 05.08.2005