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Ritter siegt auf ganzer Linie

Bielefelderin Kirstin Engemann räumt bei Online-Rollenspiel ab

Von Stefanie Hennigs
Bielefeld (WB). Gegen »Vizzla« hatte »Moonyboony« keine Chance. In der Online-Rollenspielwelt Midgard hat eine junge Frau - beziehungsweise ihre Spielfigur, der Ritter Vizzla - den Mitspielern gezeigt, was eine Harke ist. Die Bielefelderin Kirstin Engemann (19) hat bei den ersten Ragnarok-Online-Giga-Liga-Wettkämpfen gewonnen.

Jahrelange Spielerfahrung, taktisches Können und Ehrgeiz: Diese Mischung war für Kirstin Engemann das Erfolgsrezept, um sich in den zwei Monate währenden Wettkämpfen in der virtuellen Welt von Midgard zu behaupten.
Midgard - das ist die Welt von Rittern, Händlern, Dieben, Jägern und Magiern. Sie leben in sechs verschiedenen Städten - in der quirligen Hauptstadt Prontera, in der man quasi an jeder Straße über einen Händler stolpert. Oder in Morroc, dem »Juwel der Wüste«, wo die Bewohner dem Leben im Sand Tribut zollen und es ruhig angehen lassen. Die Wege führen zum Beispiel auch in das idyllische Payon mitten im Dschungel, nach Geffen, die Stadt der Magie, in das am Meer gelegene Alberta, den Hafen der Händler und nach Izlude, die Stadt der Kämpfe. Überall warten Aufgaben, die von den Spielern, beziehungsweise von ihren selbst ausgewählten Charakteren, den Spielfiguren, gelöst werden müssen, um Punkte oder neue Fähigkeiten zu erlangen - entweder auf eigene Faust oder gemeinsam in einer Gilde, ein Zusammenschluss von mehreren Spielern. »Ich mag beides gerne«, sagt Kirstin Engemann. Doch egal, ob sie alleine kämpft oder versucht, mit ihrer Gilde Schlösser zu erobern: »Ich versuche immer, das Beste aus dem Charakter herauszuholen.«
Früher habe sie vor allem alleine gespielt oder gechattet, erinnert sich die Gewinnerin. Bei Ragnarok-Online kann sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Ihr Ritter kämpft sich durch die virtuelle Welt - und gleichzeitig können die Spielerinnen und Spieler miteinander sprechen und chatten. Wobei die Spielerinnen in der Minderheit sind: »Es gibt nicht so schrecklich viele Mädchen, die spielen.« Als »Exotin« fühlt sie sich trotzdem nicht: »Exotisch ist eigentlich mehr, dass ich jetzt mit dem Spielen Geld gewonnen habe.« Denn die drei Erstplatzierten der Ragnarok-Online-Giga-Liga konnten 5000 Euro unter sich aufteilen. Leben könne man vom Spielen in Deutschland - anders als etwa in Korea - jedoch nicht: Die meisten Ritter, Händler und Priester haben im »richtigen« Leben auch einen richtigen Beruf.
Mit ihrem Gewinn ließ Kirstin Engemann die Fachwelt aufhorchen - ist sie doch die erste Gewinnerin in der Geschichte der Giga-Liga auf dem Fernsehsender NBC GIGA, einer der größten Multiplayer-Online-Ligen in Europa. Klar, dass sie auch um einen Fernsehauftritt nicht herum kam. Und natürlich war auch die Familie begeistert, dass sich das Spielen endlich einmal ausgezahlt hat. »Und meine Oma war natürlich begeistert, mich im Fernsehen zu sehen.« Die Grenzen zwischen virtueller Welt und ihrem richtigen Leben sind durchaus fließend: Mitspieler kennenzulernen ist kein Tabu.
Wie sie es letztendlich geschafft hat, sich mit »Vizzla« gegen die anderen Spieler zu behaupten? »Ich habe mich vorher schon hingesetzt und mir ein paar Gedanken über meine Strategie gemacht«, sagt die 19-Jährige, die in Bad Oeynhausen zur Schule gegangen ist und als freie Übersetzerin arbeitet. »Vizzla« habe sie sich so gestaltet, dass er nicht nur mit dem Schwert, sondern auch mit Speeren umgehen kann. »So kann er auch Attacken über größere Distanzen ausführen.« Früher, erzählt Kirstin Engemann, habe sie auch bis zu 80 Stunden wöchentlich gespielt - beispielsweise in den Ferien. Dafür bleibt ihr jetzt keine Zeit mehr. Und irgendwie, sagt Kirstin Engemann, ist die Welt von Midgard momentan für sie ausgereizt: »Den maximalen Level habe ich ja erreicht...«.

Artikel vom 08.09.2005