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Anna Netrebko frei von Allüren

Nordwestdeutsche Philharmonie setzt Zusammenarbeit mit Opernstar fort

Von Dietmar Kemper
Herford/Salzburg (WB). »Anna Netrebko zickt nicht rum«, lobt der Geschäftsführer der Nordwestdeutschen Philharmonie in Herford, Christian Becker. Für einen Star dieser Größenordnung sei die schöne russische Sopranistin »völlig unkompliziert«.

Die Nordwestdeutsche Philharmonie werde die Zusammenarbeit mit Netrebko fortsetzen, sagte Becker gestern dieser Zeitung. Vier mal begleitete das Orchester die 33-Jährige im Winter 2004 und Frühjahr 2005: in Leipzig und Hamburg am 9. und 15. Dezember sowie in Köln und Frankfurt am 16. und 19. April. Die NWD bereitete den musikalischen Teppich für das Programm, das sich aus Stücken von Mozart und romantischen italienischen Arien zusammensetzte.
Zur Zeit verzaubert Netrebko Salzburg. Am kommenden Sonntag steht sie bei den Festspielen erstmals als Violetta in Verdis »La Traviata« auf der Bühne. Die Stadt liegt dem Superstar der Opernwelt zu Füßen: Die Premiere und die übrigen sechs Vorstellungen sind sechsfach überbucht, Karten auf dem Schwarzmarkt kosten bis zu 1000 Euro.
Ist der Ruhm dem Glamour-Girl der Klassik zu Kopf gestiegen? Wie geht sie mit den Orchestermusikern um? Christian Becker von der NWD kann sich nicht vorstellen, dass der Dirigent und die Musiker in Salzburg Probleme haben werden. »Die Zusammenarbeit mit der NWD war hervorragend«, erinnert er sich: »Netrebko ist einfach gut, sie kann phantastisch singen und hat Extravaganzen nicht nötig.« Becker hat auch schon anderes erlebt: »Eine Sopranistin kam in die Garderobe und sagte, sie könne jetzt nicht singen. In einem anderen Fall forderte der Solist das Orchester auf, in zwei Stunden wieder zu kommen.«
Nicht selten werde auch großes Aufheben um Nebenkriegsschauplätze wie die Größe der Garderobe gemacht. Die Nordwestdeutsche Philharmonie hat mit allen Stars gespielt, mit Placido Domingo und Jose Carreras genauso wie mit Montserrat Caballé. Liebenswert natürlich habe sich Placido Domingo verhalten, blickt Becker zurück: »Er sang zweieinhalb Stunden in der Probe und wickelte in der Pause sein Leberwurstbrot aus.«
Zur Probe mit der NWD erschien Anna Netrebko in Jeans. Während das Orchester die Stücke ohne Solistin probierte, sprach Dirigent Michael Güttler mit Netrebko das musikalische Konzept ab. Mit dabei der Corepetitor, der Mann am Klavier. Die Gespräche wurden auf Englisch und Russisch geführt. Dirigent Güttler beherrscht Netrebkos Muttersprache. Nachdem sie ihre Vorstellungen und Wünsche mit den beiden abgestimmt hatte, probte Netrebko zweimal mit dem ganzen Orchester. »Mit dem Schlussakkord der Vorstellung endet für das Orchester die Zusammarbeit«, berichtete Becker. Auch wenn mancher Musiker gern mit der attraktiven Russin zu Abend gegessen hätte - dazu kam es nicht.

Artikel vom 05.08.2005