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Anregen und begeistern

Ernst Peter Fischer legt sein drittes »Bildungsbuch« vor

Von Rolf Dressler
Das Buch, von dem hier lobend die Rede sein soll, greift faszinierend hoch und tief zugleich. Denn es stammt nicht von ungefähr aus der Feder eines umfassend gebildeten und weit blickenden Mannes, der ausgewiesen ist als diplomierter Physiker, promovierter Biologe und habilitierter Wissenschaftshistoriker. Ernst Peter Fischer lehrt an den Universitäten Konstanz und Basel.
Titel des Buches von Ernst Peter Fischer.

In gleichsam logischer Gedankenfolge veröffentlichte er zunächst, im Jahre 2001, ebenfalls bei Ullstein, den Bestseller »Die andere Bildung - Was man von den Naturwissenschaften wissen sollte«. 2003 erschien dann »Am Anfang war die Doppelhelix - James D. Watson und die neue Wissenschaft vom Leben«. Und nun, anno 2005 kann man sich anregen, fesseln und begeistern lassen von Fischers mehrspurigen Überlegungen über die »Bildung des Menschen« und über das, was die Naturwissenschaften dazu herausgefunden haben.
Der Begriff »Bildung« wird hier in einem doppelten Sinne verstanden. Denn anders als in Fischers vormaligen Werk von der »anderen Bildung« schildert der Autor in seinem neuesten Buch höchst eindrücklich, wie der Mensch auf die Welt kommt, wie er sich körperlich und geistig herausformt und heranbildet - und: wie er sich, eben diese Welt anzueignen, zu Nutze zu machen versucht.
Ernst Peter Fischer schlägt einen großen Gedankenbogen von der befruchteten Eizelle bis zu den jüngsten Erkenntnissen der Ge- hirnforschung und den dadurch zusätzlich aufscheinenden Fragen nach Gedächtnis und Erinnerungsvermögen, Gefühl und Ver- stand, biologischer Vorbestimmung und Willensfreiheit.
Gleichwohl bewegt sich Ernst Peter Fischer nicht etwa in der Code-Sprache seiner Zunft, sondern allgemeinverständlich. Dafür zum Beleg die folgende Textpassage als nur ein Beispiel:
Seltsamerweise fehle gerade auch den mit besonders staatstragenden Mienen bestückten TV-Talkrunden »selbst dann der geringste Hauch von wissenschaftlichem Leben, wenn es um Themen geht, bei denen nicht einmal der gesunde Menschenverstand ohne einen Hinweis darauf auskommt«. Etwa dort, wo die Einrichtung von Elite-Universitäten oder die Gesundheitsvor- und -fürsorge oder die Reform des Gesundheitswesen wie auch der staatlichen Sozialsysteme im ganzen diskutiert werde.
Was sicherlich nicht nur Ernst Peter Fischer vermisst: »Irgendwann müsste doch auch einmal eine Stimme zu vernehmen sein, die zum einen fragt, ob wir überhaupt verstehen, was gemeint ist, wenn wir etwa über Gesundheit sprechen, und die zum anderen wissen will, ob in dieser oder jener Debatte, die sich seit langem nur noch im Kreise dreht, nicht etwas bzw. jemand fehlt.«
Ernst Peter Fischer:» Die Bildung des Menschen - Was die Naturwissenschaften über uns wissen«; im Ullstein Verlag, 24 Euro.

Artikel vom 08.09.2005