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Merkel pfeift Schönbohm zurück

Äußerungen zu den Kindstötungen von allen Seiten scharf kritisiert

Potsdam/Berlin (dpa/Reuters). Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gerät wegen seiner Äußerungen zu Gewaltursachen in Ostdeutschland auch in der Union zunehmend in die Kritik.
Nach Kritik von allen Seiten: Jörg Schönbohm relatiert seine Äußerungen.

CDU-Chefin Angela Merkel wies Schönbohm scharf zurecht und sagte zu dessen Aussagen über den Fund von neun Baby-Leichen in Brieskow-Finkenheerd (Brandenburg): »Ein solch furchtbares Verbrechen kann und darf man nicht mit pauschalen Einschätzungen dieser Art erklären.«
Schönbohm hatte nach dem Leichenfund eine »erzwungene Proletarisierung« zu DDR-Zeiten für Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft im Osten für das Verbrechen verantwortlich gemacht.
Der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) warf seinem Koalitionspartner Schönbohm vor, mit der pauschalen Ostkritik der Linkspartei in die Hände zu spielen.
Aus der Ost-CDU und der FDP kamen Rücktrittsforderungen. SPD-Chef Franz Müntefering und der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle forderten eine Entschuldigung.
Schönbohm hielt inhaltlich an seiner Kritik am SED-Regime der DDR fest, relativierte sie aber. »Es sollte keine Ohrfeige für alle Ostdeutschen sein«, sagte er. Im totalitären System DDR sei das Thema Wertevermittlung »sehr klein geschrieben« gewesen, sagte er im ZDF. »Der Staat gab Werte vor.« »Und in der DDR war es auch so, dass man gut dabei fuhr, wenn man nicht zu sehr Anteil nahm am Nachbarn oder anderen Dingen.« Der »Märkischen Allgemeinen« sagte er zu seiner Kritik: »Ich würde sie heute anders formulieren.« Er wollte die Menschen nicht beleidigen. In der »Bild«-Zeitung formulierte er es ähnlich: »Ich weiß, dass ich viele Menschen nicht nur gekränkt, sondern auch verletzt habe. Das war überhaupt nicht meine Absicht. Dafür entschuldige ich mich ausdrücklich.« Er habe aufrütteln wollen.
Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU) forderte seinen Parteifreund indirekt zum Rücktritt auf. Daehre nannte Schönbohms Äußerungen »unverantwortlich« und »diffamierend«. Brandenburgs CDU-Generalsekretär Sven Petke nannte Rücktrittsforderungen »absurd«. Aus aller Welt

Artikel vom 05.08.2005