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Leitartikel
Der Fußball rollt wieder

WM-Stern
erleuchtet
die Liga


Von Klaus Lükewille
Willkommen im Fußball-Wunderland. Dabei ist das deutsche Oberhaus im europäischen Vergleich längst nicht mehr Spitze. Italien und Spanien, England und Frankreich, sie alle sind mit ihren Elite-Klassen an der einstmals »besten Liga der Welt« vorbei gezogen. In der Champions League und im Uefa-Cup flogen die Deutschen zuletzt immer vorzeitig raus. Und bei den EM-Endrunden 2000 und 2004 scheiterte die Nationalmannschaft kläglich. Schon in der Vorrunde.
Aber, und das darf nun wirklich bewundert werden: Europameister-Titel hat Deutschland im Sommer 2005 trotzdem zu bieten. Wenn der Ball auch oft nur über den Rasen holpert, der Euro rollt.
In der Trikot-Werbung haben die 18 erstklassigen Vereine erstmals die 100-Millionen-Euro-Grenze überschritten, die Zahl der verkauften Dauerkarten erreichte die neue Rekordhöhe von 372 535 Tickets. Das sind weltmeisterliche Werte - und das soll in der Bundesliga-Saison 2005/2006 der Maßstab sein.
Deutschland, die Fußball-Wundertüte. Keiner weiß, was im nächsten Jahr drin ist. Dabei sind die WM-Erwartungen hoch. 2002 Zweiter. 2006 Erster? Mit ein paar starken Auftritten beim Confed-Cup hat die Auswahl von Bundestrainer Jürgen Klinsmann die Stimmung angeheizt. Doch Vorsicht, bitte nicht zu viel Euphorie. Und erst recht keine Hysterie. Da haben sich schon viele, die sich zu den heißen Favoriten zählten, gewaltig die Finger verbrannt.
Denn die deutsche Rasen-Realität sieht immer noch ein wenig anders aus. Gar nicht wunderbar. Die meisten Liga-Spiele sind mäßig, viele mittelmäßig und nur wenige wirklich spitzenmäßig.
Die Liga-Alltag kann ja so verdammt grau sein, diese Erfahrung machen die Stadion-Besucher schon seit Jahren. Aber in den kommenden 34 Meisterschafts-Runden, da soll alles anders und besser werden. Die Weltmeisterschaft 2006 schwebt schon wie ein großer Stern am deutschen Fußball-Firmament.
Seine Strahlkraft wird die Liga »erleuchten«. Sagen die Optimisten. Pessimisten haben in diesen Zeiten zu schweigen. Denn die WM, diese nationale Aufgabe, soll und kann schließlich ein Land, das schon länger vor sich hin dämmert und das eigentlich lieber jammert als jubelt, endlich mal wieder ein Stück nach vorn bringen.
Tore und Titel gegen Tristesse: Den Auftrag hat das Unterhaltungs-Unternehmen Bundesliga ab sofort zu erfüllen. Die nationale Einstimmung für den internationalen Höhepunkt im Sommer 2006.
Allerdings: Die Meisterfrage scheint schon vor dem ersten Anpfiff beantwortet zu sein. Wer wird's? Natürlich wieder der FC Bayern München. Wie langweilig.
Langweilig? Da war der legendäre Trainer Sepp Herberger anderer Meinung: »Warum kommen die Leute zum Fußball? Weil sie nicht wissen, wie es ausgeht.«
Hoyzer und Konsorten, die es schon vorher wussten, dürfen keine Spielverderber mehr sein. Diese Betrüger haben hoffentlich und endgültig ausgepfiffen.

Artikel vom 05.08.2005