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Hoffnung ruht auf Ralf Bartels

Leichtathletik-WM: DLV-Bosse bremsen die Medaillen-Erwartungen

Helsinki (dpa). Mit dem kleinsten Team in der Geschichte und ganz bescheidenen Erwartungen startet der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) in die 10. Weltmeisterschaften.

Nach der verletzungsbedingten Absage von Diskuswerfer Robert Harting (Berlin) sind in Helsinki nur 52 Teilnehmer am Start - angeführt von den Olympia-Zweiten Steffi Nerius (Speer) und Nadine Kleinert (Kugel). »Ich halte wenig von Medaillenspekulationen«, sagte Präsident Clemens Prokop. »Aber unser Optimismus gründet sich darauf, dass es in dieser Saison ganz gut lief.«
Das Ziel ein Jahr nach dem Olympia-Debakel sei, dass möglichst viele Athleten ihre Saisonbestleistung erreichen oder übertreffen. In Athen hatte es nur zwei Mal Silber für den DLV gegeben, bei der WM 2003 in Paris ein Mal Silber und drei Mal Bronze.
Auch der neue Leitende Bundestrainer Jürgen Mallow malt die Zukunft der olympischen Kernsportart nicht rosig. »Ich fürchte, man wird sich daran gewöhnen müssen«, kommentierte er die Tatsache, dass bei den Männern beispielsweise die Laufstrecken ab 1500 m und bei den Frauen der Flachsprint nicht besetzt sind. »Als wir im Herbst das neue Leistungssportkonzept nach unserem historischen Tief verabschiedet haben, habe ich gesagt, wir müssen erst einmal anfangen, am Dach zu reparieren. Das ist die Nationalmannschaft«, sagte Mallow weiter.
Disziplinen, die seit Jahren schwach besetzt sind, »brauchen einen längeren Aufbau«. Dass in allen 47 Disziplinen deutsche Athleten am Start sind, erklärte der Funktionär, werde es bis zu den nächsten Olympischen Spielen nicht geben. Er sei sich auch nicht sicher, ob eine gezielte Talentsuche helfen könne, den Olympiasieger von Morgen zu entdecken. Mallow war übrigens einst der Trainer von Patriz Ilg: Der Schwabe hatte bei der WM-Premiere von 22 Jahren in Helsinki Gold über 3000 Meter Hindernis gewonnen.
Von einem Titel kann die deutsche Mannschaft im Moment nur träumen. Am ersten Wettkampftag hat das DLV-Team jedoch wenigstens einen Medaillenkandidaten: Kugelstoßer Ralf Bartels (Neubrandenburg) hofft als Fünfter der Weltbestenliste auf sein zweites internationales Edelmetall nach seinem überraschenden dritten Platz bei der EM 2002 in München. Mit 21,36 Metern hat er in diesem Jahr erstmals die 21-Meter-Marke übertroffen. Diskus-Riese Lars Riedel (Chemnitz) wird es am Sonntag wesentlich schwerer haben, bei seiner achten WM-Teilnahme in die Medaillenvergabe einzugreifen. Über 10 000 Meter der Frauen will Sabrina Mockenhaupt von der LG Sieg ihre Bestzeit (31:21,28 Minuten) verbessern. »Mein Training in den letzten Wochen war bombastisch«, meinte die nur 1,56 Meter große Läuferin.
Derweil ist vor den Titelkämpfen im Olympiastadion von den Sicherheitskräften die höchste Alarmstufe ausgegeben worden. »Nie zuvor haben wir solche Sicherheitsmaßnahmen getroffen«, erklärte der stellvertretende Polizeichef Jari Liukku. Die Polizei fürchtet offensichtlich jedoch weniger Terroranschläge als Krawallmacher. »Wir haben Grund zur Annahme, dass Hooligans ihr Unwesen treiben sollen«, sagte Liukku.
Zur WM werden 30 000 Leichtathletik-Fans aus aller Welt erwartet. Die Highlights des Auftakt-Wochenendes sind die 100 Meter der Männer am Sonntag mit Olympiasieger Justin Gatlin (USA), der Siebenkampf der Frauen mit Überfliegerin Carolina Klüft aus Schweden und der 10 000-Meter-Lauf, bei dem die britische Marathonläuferin Paula Radcliffe den Grundstein für einen Doppelerfolg legen will. Für WM-Gold in den Einzeldisziplinen gibt es 60 000 Dollar, insgesamt hat die IAAF 7,3 Millionen an Prämien für die 47 Entscheidungen ausgesetzt.
»Schönes Wochenende«, Seite 3, ein Portrait der Siebenkämpferin Lilli Schwarzkopf (LC Paderborn)

Artikel vom 06.08.2005