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Ärzte ignorieren Organ-Not

Kaum noch Explantationen in Ostwestfalen-Lippes Krankenhäusern

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Nach dem Hirntod eines Patienten vergeben viele Kliniken in NRW die Chance, mit Hinterbliebenen über eine Organspende zu sprechen. Besonders schlecht ist die Bilanz in Ostwestfalen-Lippe.

Ein Patient ohne Hirnfunktionen gilt als tot. Sind die übrigen Organe nicht geschädigt, kann der Kreislauf über den Tod hinaus mit Geräten aufrechterhalten werden, damit funktionierende Organe entnommen werden können. Dies ist nur erlaubt, wenn der Patient zu Lebzeiten zugestimmt hat oder seine Familie den Ärzten die Einwilligung gibt. »Und dieses Gespräch wird in den Kliniken zu selten gesucht«, kritisiert Ilja Stracke von der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO).
Heiner Smit, Vorstandsbevollmächtigter der DSO: »In einem größeren Krankenhaus müssten sich jährlich drei bis vier Organspender finden, aber so ist es leider nicht.« Im Gegenteil: In NRW kamen im vergangenen Jahr auf eine Million Einwohner nur neun Organspender. In Rheinland-Pfalz waren es doppelt so viele (18), in Mecklenburg-Vorpommern sogar mehr als viermal so viel (37).
NRW ist Länder-Schlusslicht, und Ostwestfalen-Lippe steht mit sechs Spendern auf eine Million Einwohner noch schlechter da. »Viele Krankenhäuser machen es sich einfach und sprechen die Hinterbliebenen erst gar nicht an«, sagt Prof. Reiner Körfer. 81 Herzen haben er und seine Mitarbeiter 2004 im NRW-Herzzentrum Bad Oeynhausen verpflanzt, die Kapazität des Hauses ist jedoch auf 150 Transplantationen ausgelegt.
Positive Ausnahmen in Ostwestfalen sind das Klinikum Minden und das Bielefelder Krankenhaus Gilead I. Priv. Doz. Dr. Bernd Bachmann-Mennenga, Ärztlicher Direktor in Minden: »Das Thema Organspende ist bei uns von den Oberärzten bis zu den Pflegern ständig präsent. Gerade der Pflegebereich ist wichtig, weil diese Mitarbeiter oft sehr guten Kontakt zu den Angehörigen haben.«
Prof. Günther Winde, stellvertretender Ärztlicher Direktor des Kreisklinikums Herford, begründet die niedrige Spenderzahl seines Hauses mit der geringen Anzahl hirntoter Patienten sowie der mangelnden Zustimmungsbereitschaft vieler Angehöriger. »Allerdings erklärt das nicht die Unterschiede zwischen den Bundesländern«, räumte der Mediziner ein.
2500 Menschen standen im Jahr 2004 in NRW auf Wartelisten für Herzen, Lungen, Nieren, Lebern, Bauchspeicheldrüsen und Dünndärme, nur 513 von ihnen bekamen ein neues Organ. Trotz des Bedarfs herrscht mancherorts noch immer Unkenntnis. So sagte der Verwaltungsdirektor eines ostwestfälischen Krankenhauses dem WESTFALEN-BLATT, in seinem Haus könnten keine Organe explantiert werden, weil man keine Lagermöglichkeit habe. Die braucht man jedoch gar nicht, weil die Organe sofort nach Entnahme dem Empfänger eingepflanzt werden. Ostwestfalen-Lippe

Artikel vom 06.08.2005