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Leitartikel
Schlusspunkt Wahlabend

Einer ist
auf Abschiedstour


Von Rolf Dressler
Vorausgesetzt, am neuralgischen 18. September 2005 steht Deutschland zur Wahl an, wovon alle Welt, die hiesige jedenfalls, ziemlich felsenfest ausgeht: Einen Politiker braucht dann mit hoher Wahrscheinlichkeit niemand mehr in noch so fantasievolle personelle und sonstige Planspiele einzubeziehen - Gerhard Schröder.
Denn welche konkreten rechnerischen Mehrheiten auch immer die Wähler entweder den schwarz-gelben Bürgerlichen oder der rot-grün-knallroten Linken zusprechen werden, der noch amtierende SPD-Kanzler wird dann wohl in keine künftige Koalitionskonstellation mehr hineinpassen. Es sei denn, es geschähe eines jener Wunder, denen nur Tagträumer ernsthaft nachhängen können. Für diesen Fall müssten SPD und Bündnis-Grüne nicht nur CDU/CSU und FDP zum dritten Mal in Folge den Rang ablaufen, sondern in der Summe auch noch der unkalkulierbaren Rächer-der-Enterbten-Truppe der Herren Gysi und Lafontaine.
Dafür jedoch spricht nach kühl-nüchternem menschlichen Ermessen nichts, aber auch gar nichts.
Deshalb gilt, objektiv betrachtet: Gerhard Schröders Abschiedstour ist in vollem Gange, mag er sich auch noch so virtuos mühen, als gediegen inszenierter Talkshow-Gentleman beim Publikum den exakt gegenteiligen Eindruck zu erwecken. Frei nach der Melodie: »Wir haben gute Politik gemacht. Dafür bitten wir um ein neues Mandat für weitere vier Regierungsjahre.«
Gerhard Schröders Weggefährten, selbst viele der älteren und die jüngeren Morgenluft-Sozialisten natürlich sowieso, wollen und werden ihr Zukunfts-Wunschding - verschärft in Richtung links - garantiert ohne ihn machen. Auch Franz Müntefering. Denn als Parteichef obliegt es doch gerade ihm, »den Laden« zusammenzuhalten. Im Falle des Falles wird er dafür die Dreierpack-Kröte PDS/Gysi/Lafontaine schlucken, weil man die Sozialdemokratie angeblich nur so wieder zu besseren Ufern zurückführen könne.
Zwar hatte Müntefering Schröder mit der schneidenden Drohung, er könne dem Kanzler seitens der eigenen SPD »für nichts mehr garantieren«, zu der Entscheidung für vorzeitige Neuwahlen getrieben.
Doch selbst wenn auch »Münte« nach dem 18. September seinen Abschied nehmen sollte - und gerade dann -, würden andere ihr rot-grün-glutrotes Linksbündnis organisieren: vorneweg PDS-Sympathisant und PDS-Koalitionär Klaus Wowereit; die ewig Grünen Joschka Fischer, Jürgen Trittin, Claudia Roth und Hans-Christian Ströbele; SPD-Flügelstürmer wie Ottmar Schreiner oder Sigmar Gabriel womöglich.
Und was wäre sonst denkbar? Schwarz-Gelb - ebenso unwahrscheinlich wie eine »Ampel«-Regierung von SPD, FDP und Grünen. Eine große Koalition könnte die SPD zerreißen, würde den Stillstand nur noch verfestigen.
Deutschland steht zur Wahl. Nicht Klüngelpütt und Postenschieber.
Wache Wähler sollten diesmal besonders wählerisch sein.

Artikel vom 06.08.2005