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Kinobetreiber wünschen
mehr deutsche Filme

Modenschau soll Frauen bei Fußball-WM anlocken

Von Dietmar Kemper
Warburg (WB). Während der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 sollen Frauen in den Kinos mit Blumensträußen begrüßt und mit Modenschauen verwöhnt werden. »Wir werden diese Tage, an denen Männer wegbleiben, mit einem Alternativprogramm überstehen«, sagte Heribert Schlinker vom Hauptausschuss Deutscher Filmtheater gestern dieser Zeitung.

Der Warburger Kinobetreiber (fünf Säle mit 800 Plätzen) weiß, dass Ideen nötig sind, um den Besucherrückgang in den Kinos zu stoppen. Um etwa 17 Prozent sank die Zahl der Zuschauer im ersten Halbjahr 2005 im Vergleich zu den ersten sechs Monaten 2004. Als »desaströs« bezeichnete der Sprecher der Cinemaxx-Kette, Arne Schmidt, diese Entwicklung. »Betroffen sind Großstädte genauso wie mittelgroße und kleine Städte«, weiß Heribert Schlinker.
Er erwartet im laufenden Jahr erstmals einen »Kinoschwund«. In 4400 Sälen können die Deutschen mit den Helden auf der Leinwand zittern, weinen und lachen. Mit Einführung des digitalen Tons und des Breitbildformats Anfang der 1990er Jahre entstanden 2500 neue Kinosäle. Auch noch 2004 kamen 31 Filmtheater hinzu - eine Entwicklung, deren Ende Schlinker (68) jetzt gekommen sieht.
Raubkopien, günstige DVDs im Handel, die Konkurrenz durch Videospiele sowie die zum Sparen ermahnende Wirtschaftskrise und die zuletzt geringe Zahl spektakulärer Hollywood-Produktionen erklären die Misere der Kinobetreiber. Bis Ende Juli zählte die Fachzeitschrift »Blickpunkt Film« nur 57,8 Millionen Menschen in den Kinos; im ersten Halbjahr 2004 waren es fast 14 Millionen mehr.
»Weil Hollywood nicht mehr so dominierend ist, brauchen wir mehr deutsche Filme«, betont Heribert Schlinker. Bully Herbigs Komödie »(T)Raumschiff Surprise«, der Otto-Film »Sieben Zwerge« und Bernd Eichingers »Untergang« über Hitlers letzte Tage hätten im vergangenen Jahr 18 Millionen Besucher angelockt und damit 14 Prozent Marktanteil erreicht.
Weil die Besucher die neueste Technik mit brillanten Bildern und Klangeffekten erwarteten, seien die Betreiber auf Kassenschlager angewiesen. »Ein Kino zu bauen ist nirgendwo so teuer wie in Deutschland«, weiß Schlinker. Ein Filmtheater mit 1000 Plätzen koste mindestens 5 Millionen Euro, also 5000 Euro pro Platz. Der Preis fürs Grundstück sei da noch gar nicht mitgerechnet.
Zur Zeit freuen sich Schlinker und seine Kollegen über den Erfolg des Animationsfilms »Madagascar« und der Komödie »Mr. & Mrs. Smith«. Das Zeichentrickvergnügen mit den Zootieren, die die Wildnis kennenlernen wollen und auf Madagaskar landen, zog in den ersten zwei Wochen drei Millionen Besucher an; den mit Frauenschwarm Brad Pitt und Männertraum Angelina Jolie prominent besetzten Agentenspaß haben in zehn Tagen mehr als eine Million Deutsche gesehen.
Im Herbst setzen die Kinobetreiber große Hoffnungen auf »Harry Potter 4« und »King Kong«. Deshalb ist Heribert Schlinker optimistisch, dass sich die Besucherzahlen 2005 doch noch verbessern - in einem Jahr, das ohne Bond und Herr der Ringe auskommen muss.
Aber was ist mit den kleinen Programmkinos, die auch mangels Plätzen die Blockbuster gar nicht zeigen? »Die Programmkinos verzeichneten 2004 erstmals Umsatzrückgänge«, sagt Schlinker. Die Großkinos seien dazu übergegangen, selbst einen kleinen Saal für ambitionierte Filme von noch nicht so bekannten Regisseuren bereit zu halten. Dennoch sieht Schlinker die Kleinkinos nicht in ihrer Existenz bedroht: »Sie haben ein treues Publikum. Einige gehen nur dorthin, weil sie die großen Filmpaläste nicht mögen.«

Artikel vom 03.08.2005