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Tote Babys kamen in die Blumentöpfe

Mutter will bei Geburten allein gewesen sein

Von Wolfgang Schäffer
Frankfurt/Oder (WB). Immer wenn die Wehen kamen, habe sie viel Alkohol getrunken. Wenn sie dann wieder zu sich gekommen sei, seien die Kinder schon verscharrt gewesen. Diese Erklärung hat Sabine H. aus Frankfurt an der Oder zur Tötung ihrer neun Babys abgegeben.

39 Jahre ist die Frau alt, die jetzt im Verdacht steht, ein Verbrechen begangen zu haben, das es in einem solchen Ausmaß in Deutschland noch nicht gegeben hat. Sie war bereits Mutter von drei Kindern (eine heute 21-jährige Tochter sowie zwei Söhne, 18 und 20, die alle unauffällig leben), als die Todesserie begann. Vermutlich im Jahr 1988. An diese erste und auch die zweite der verhängnisvollen Geburten will sich Sabine H. noch erinnern können, sagt sie der Staatsanwältin Anette Bargenda. Gewalt gegen die Neugeborenen aber gibt sie nicht zu. Gleichwohl aber bestätigt sie, dass alle neun inzwischen entdeckten Überresten der Babys von ihr seien. Ohne jede Hilfe habe sie entbunden. Niemand habe davon erfahren. Natürlich auch nicht von den Schwangerschaften. Vater aller Kinder sei ihr Ehemann, von dem sie seit 2001 getrennt lebt und seit diesem Jahr geschieden ist. Schon zuvor habe es viele Probleme in der Beziehung gegeben. Ihr Mann sei aus beruflichen und privaten Gründen selten daheim gewesen. Die 39-Jährige spricht in den Vernehmungen von einer Zweckgemeinschaft.
Bei den Geburten sei sie immer allein in der Wohnung gewesen. Einzig daran, dass sie eine Decke über die Neugeborenen gelegt habe, will sie sich in den Vernehmungen erinnern, sagt die Staatsanwältin. Die toten Kinder versteckte sie in Blumentöpfen und Pflanzkübeln auf ihrem Balkon. Vor zwei Jahren brachte Sabine H. die Gefäße mit den Gebeinen der getöteten Babys dann nach Brieskow-Finkenheerd, ein kleines Örtchen, etwa zehn Kilometer von Frankfurt entfernt. Dort liegt das Elternhaus der 39-Jährigen. Hier wohnen die Mutter und eine Schwester der Frau. Die unterschiedlichen Behältnisse deponierte sie in der Garage auf dem Grundstück. Zuvor hatte die Frau die Töpfe bei mehreren Umzügen von einer Wohnung zur nächsten mitgenommen. Wenn sie ihren Kindern nahe sein wollte, habe sie sich auf den Balkon gesetzt, gab sie bei den Vernehmungen zu Protokoll.
1998 oder 1999 sei das letzte der getöteten Babys nach Angaben der Frau zur Welt gekommen. Wenig später habe sie ihren neuen Lebensgefährten kennen gelernt, mit dem sie ein inzwischen 18 Monate altes Mädchen habe. Dieses Kind hatten Polizisten am 21. Juni in einem völlig verwahrlosten Zustand vorgefunden, als sie aufgrund eines lautstarken Familienstreits von Nachbarn der 39-Jährigen gerufen worden waren. Seither gab das Jugendamt »Hilfestellung«, wie es gestern hieß, und das Kind mache sich gut.
Nach Ansicht der Staatsanwältin habe Sabine H. einen fast erleichterten Eindruck gemacht, als die toten Babys gefunden worden seien. Ein Nachbar der Mutter hatte bei Aufräumarbeiten die schreckliche Entdeckung gemacht. Nun überprüft die Polizei andere Wohnungen und Gartenparzellen, die die Frau in den vergangenen Jahren gemietet oder gepachtet hatte. Die Ermittler wollen weitere Leichenfunde nicht ausschließen. Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 03.08.2005