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Exakte Tagesstruktur hilft beim Zurechtfinden

Bethel: Ferienprogramm für autistische Kinder und Jugendliche bringt den Eltern Entlastung


Bethel (WB). Ein Regal, an dem ein großes violettes Schild mit ihrem Namen prangt, ist Lauras »Tagesplan« für das Ferienprogramm. Jedes Fach birgt einen Gegenstand: Die Gabel steht für »Zum-Essen-gehen«, eine Filmdose bedeutet »Werkraum« und das Kissen »Pause«. Was andere eher an Arbeit erinnert, ist für autistische Menschen eine wichtige Orientierungsmöglichkeit. Bethel bot jetzt acht Kindern und Jugendlichen mit Autismus in der Mamre-Patmos-Schule ein fünftägiges Ferienprogramm.
Das speziell für die Autisten entwickelte Programm wird von kompetenten Betreuern begleitet. Die fachliche Betreuung ist auch für die Eltern wichtig. Denn sie sollen während der Sommerferien entlastet werden, und dabei hilft die Gewissheit, dass ihre Kinder gut aufgehoben sind.
»Autistische Menschen können nicht vorausdenken. Sie sind nicht neugierig, haben keine Phantasie und wissen nicht, was von ihnen erwartet wird. Ohne Orientierungshilfen befinde sie sich in einem Chaos, das für sie bedrohlich ist«, erläutert Thomas Feilbach, vom Leitungsteam des Ferienprogramms. Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung Die Betroffenen können nicht zwischen Wichtigem und Unwichtigem unterscheiden und haben Probleme mit der Filterung von Sinnesreizen und der Verarbeitung der Eindrücke. Deshalb brauchen sie Orientierungshilfen in Zeit und Raum und einfache Übergänge von einer Situation in die nächste. Die Übergänge zu vereinfachen ist auch Aufgabe der Betreuer.
Christoph ist mit seiner Betreuerin Désirée Küven auf dem Weg zur Turnhalle. In den Gängen der Mamre-Patmos-Schule wirft der 17-Jährige einen Tennisball gegen alles, was an Decken und Wänden befestigt ist, zielt auf Leuchten und Lautsprecher. Als er einen roten Feuermelder entdeckt, läuft er zielstrebig darauf zu. Ein entschiedenes »nein, Christoph!« und das gleichzeitige Wegziehen des Jugendlichen bremst ihn. Diskutieren wäre zwecklos, entschiedenes Handeln ist notwendig.
Der Morgen beginnt mit einem Lied, in dem jeder Teilnehmer namentlich benannt und begrüßt wird. Dann drückt Betreuerin Ina Buschschlüter der 16-jährigen Laura einen lila Stab in die Hand - das Zeichen dafür, an das Regal zu gehen und nachzusehen, was im Tagesablauf als nächstes vorgesehen ist.

Artikel vom 03.08.2005