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Seit 1988 neun
Babys getötet

Knochenfunde - 39-Jährige in Haft

Brieskow (dpa). Grausiger Fund in Brandenburg: Eine Mutter soll neun ihrer neugeborenen Kinder binnen 16 Jahren getötet und auf einem Grundstück in Brieskow-Finkenheerd versteckt haben.
In dieser Garage wurden die Überreste der toten Kinder gefunden. Foto: Reuters

Die am Sonntag entdeckten sterblichen Überreste habe die 39-Jährige nach den Taten in einer Garage versteckt, berichtete gestern Staatsanwalt Michael Neff in Frankfurt (Oder).
Die Kinder sollen bei einem der schlimmsten Fälle von Kindstötung in der deutschen Kriminalgeschichte in der Zeit zwischen 1988 und 2004 umgebracht worden sein. Nachbarn berichteten, die 39-Jährige lebe inzwischen mit vier Kindern in Frankfurt (Oder). Gestern Abend wurde Haftbefehl gegen die Frau erlassen Das teilte die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) mit. Die Frau bestreitet die Tat.
Ein Zeuge hatte am Sonntag in einem Garagenkomplex auf dem Grundstück südlich von Frankfurt (Oder) bei Aufräumarbeiten einzelne Menschenknochen gefunden. Sie waren laut Polizei in einem Aquarium unter Sand vergraben. Daraufhin wurde das Grundstück genau abgesucht. Dabei fanden die Beamten die anderen acht Leichen. Sie waren den Angaben zufolge in der voller Gerümpel stehenden Garage in Blumentöpfen, Blumenkästen und in Eimern unter Sand und Erde vergraben.
Die Polizei suchte gestern auf dem Gelände noch nach möglichen weiteren Leichen, stellte die Suche jedoch ein. Acht Spürhunde und 40 Polizisten waren im Einsatz. Gegen die Frau sei Haftbefehl wegen des Verdachts auf Totschlag in neun Fällen beantragt worden.
Obwohl das Grundstück in der Ortschaft mit 2700 Einwohnern nicht abseits liege, soll die Frau ein eher zurückgezogenes Leben geführt haben. In dem Haus wohne noch die Mutter der 39-Jährigen, hieß es.
Die Mutter der neun tot gefundenen Babys wurde nach Experteneinschätzung möglicherweise durch Vereinsamung und soziale Ausgrenzung verroht. Fälle, in denen Frauen ihre Neugeborenen umbringen, gebe es seit Jahrhunderten, sagte der Vizepräsident des Berufsverband deutscher Psychologen, Uwe Wetter. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hat mit Entsetzen auf die Leichenfunde reagiert und rasche Aufklärung gefordert. »Wir stehen vor einem Verbrechen, das es in diesem Ausmaß in der Geschichte der Bundesrepublik nach meiner Erinnerung noch nie gegeben hat«, sagte der Minister. »Wir müssen uns fragen, wie dieses unglaubliche Verbrechen über die ganzen Jahre hinweg im Verborgenen blieb.« Zu viele hätten weggeschaut, sagte er.

Artikel vom 02.08.2005