02.08.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Unruhen erschüttern den Sudan

Vizepräsident stirbt bei Hubschrauberunfall - Schon 24 Tote in Khartum

Khartum (dpa/reu). Nach dem Tod des sudanesischen Vizepräsidenten und früheren Rebellenchefs John Garang sind gestern in Khartum 24 Menschen ums Leben gekommen.
Beobachter befürchten, die nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg gerade erst begonnene Aussöhnung könnte nun in Gefahr geraten. Garang, der erst Anfang Juli zum Vize-Präsidenten ernannt worden war, war am Wochenende unter noch ungeklärten Umständen im Süden des Landes bei einem Hubschrauberabsturz ums Leben gekommen.
Nach Bekanntwerden seines Todes zogen tausende Südsudanesen plündernd und randalierend durch die Straßen der Hauptstadt. Dabei kamen nach Angaben von Augenzeugen und Behörden 24 Menschen ums Leben, darunter mehrere Polizisten. Auch aus dem Süden der früheren Rebellen-Hochburg, wurden Ausschreitungen gemeldet. Unterdessen kondolierten zahlreiche Politiker aus dem Ausland der Regierung und riefen zur Besonnenheit auf.
»Die Randalierer schlagen auf jeden ein, der arabisch aussieht«, sagte ein Augenzeuge in Khartum. Garang hatte die Rebellen im christlichen und animistischen Süden angeführt, die sich gegen die Einführung des islamischen Rechts durch die Zentralregierung wandten. Die Randalierer seien unter anderem mit Messern bewaffnet gewesen und hätten auch Feuer gelegt, hieß es. Zudem wurde von Schüssen berichtet.
In der Stadt Juba, die nahe dem früheren Rebellengebiet liegt, habe es ebenfalls Krawalle gegeben, berichtete ein Geistlicher. Seit Beginn des Bürgerkriegs 1983 kamen im Sudan zwei Millionen Menschen ums Leben. Erst im Januar war nach langen Verhandlungen ein Friedensvertrag zwischen den verfeindeten Parteien erreicht worden. Am 9. Juli war Garang dann als Geste der Aussöhnung der Regierung beigetreten. Beobachter zeigten sich besorgt, dass Garangs Volksbefreiungsbewegung SPLM nun zerbrechen und die Gewalt in dem Land neu entfachen könnte.
Präsident Omar Hassan al-Baschir, der eine dreitägige Staatstrauer ausrief, zeigte sich dennoch optimistisch, dass der Friedensprozess fortgesetzt werden kann. Er forderte die SPLM auf, schnell einen Nachfolger zu berufen und die Geschäfte in Garangs Sinne weiterzuführen. Auch in einer Erklärung der SPLM hieß es: »Wir (...) werden seine (Garangs) Vision von einem friedlichen Sudan fortführen. Wir möchten jedem versichern, dass die Führung der SPLM/SPLA vereint bleibt und eine vollständige Umsetzung des Friedensabkommens anstrebt.«
Der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki rief alle Parteien im Sudan auf, als Zeichen des Respekts gegenüber Garang Frieden zu bewahren. Kenias Präsident Mwai Kibaki äußerte sich ähnlich und sagte: »Die Friedenssicherung ist die größte Ehre, die das sudanesische Volk dem Verstorbenen erweisen kann.« Auch die US-Regierung, die zwischen den Bürgerkriegs-Parteien zuletzt mitvermittelt hatte, schickte ein Beileidsschreiben.
Garang befand sich am späten Samstagabend auf der Rückreise aus dem benachbarten Uganda, als sein Hubschrauber abstürzte. Offiziellen Angaben zufolge kamen dabei auch sechs Mitreisende sowie sieben Besatzungsmitglieder ums Leben. Es wurde vermutet, dass die Hubschrauberbesatzung von schlechtem Wetter überrascht wurde. Zudem gab es Spekulationen, wonach der Treibstoff ausgegangen sein könnte. Der Krieg war ausgebrochen, als die Regierung in Khartum die islamische Rechtsprechung im christlich und animistisch geprägten Süden einführen wollte.
Seite 4: Kommentar

Artikel vom 02.08.2005