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Leitartikel
Zwang zum »Duell«?

Am Fernsehen hängt, zum TV drängt...


Von Rolf Dressler
Vorzugsweise in Wahlkämpfer-Zeiten beruft sich die Zunft der Profi-Politiker gern auf die ungeschriebenen Gesetze der Mediengesellschaft - und natürlich auf die Zwänge, denen »man« in diesem öffentlichen Großgewerbe nun einmal unausweichlich ausgesetzt sei.
Als Bedrängnis und Bedrückung dürfte der amtierende deutsche Bundeskanzler seinen Sonntagabend-Auftritt bei Sabine Christiansen im »Ersten« aber ganz gewiss nicht empfunden haben. Denn die ARD bereitete ihm eine nachgerade maßgeschneiderte Bühne. Die Moderatorin warf ihrem Gast - teils geschickt scheinoffensiv verpackt - (Reiz-) Stichworte zu, wie dieser sie sich nur gewünscht haben konnte. Sichtbar genüsslich federte Gerhard Schröder eine volle Stunde lang alle nennenswert kri- tischen Einwürfe ab. Und mit sei- nem wiederholten, betont locker-lässig eingestreuten »Einspruch, Euer Ehren« degradierte er sogar die vier namhaften Zusatz-Fragensteller aus Wirtschaft, Politikwissenschaft und Presse notgedrungen zu Statisten, zumal jeder von ihnen den Kanzler ohnehin praktisch nur einmal direkt ansprechen konnte.
Diese Art von TV-Regie und Dramaturgie mag abermals mit viel Bedacht gestrickt worden sein, speziell für diese »Christiansen«-Sendung der ARD. Das Strickmuster ist jedoch altbe-kannt. Umso mehr sollten Angela Merkel und ihre Berater kühlen Kopf bewahren und sich nicht ins Bockshorn jagen lassen. Weder von angeblichen Erkenntnissen der allfälligen Meinungssammler noch von falschen Freunden und deren scheinbar wohlmeinenden Vorschlägen für diese oder jene Wahlkampfstrategie.
Natürlich legte Gerhard Schröder noch gleich am Montagmorgen, beflügelt durch die »Christiansen»-Vorstellung, ziemlich forsch nach. Seine Botschaft an die Herausforderin und an die Wählerschaft:
Her mit den zwei Fernseh-Duellen! Willige Angela Merkel in höchstens einen Schlagabtausch ein, zeuge das von einem Mangel an Courage; sage sie aber gar gänzlich nein, dann werde er sich selbstredend jederzeit auch allein einer TV-Befragung stellen.
Klar, dass Gerhard Schröder daran bei Sabine Christiansen vorgestern abend noch zusätzlich Geschmack und Lust gewonnen hat. Doch muss sich ein Kanzleramtsbewerber der Konkurrenz - im aktuellen Fall Angela Merkel - eigentlich unter allen Umständen in ein solches Fernseh-Duell hin- einzwingen lassen? Sollten CDU und CSU sich nach reiflicher Abwägung nicht durchaus auch ablehnend entscheiden können?
Fragen, die erlaubt sein müssen. Denn über so existentiell wichtige politische Weichenstellungen, wie sie jetzt anstehen, dürfen letztlich doch nicht in der Wolle gefärbte TV-Veranstalter und deren Dramaturgen befinden. Gleichviel, ob bei »privaten« oder öffentlich-rechtlichen Sendern.
Auch Gerhard Schröders jüng- ster Auftritt bei »Christiansen« regt zu neuerlichem Nachdenken an.

Artikel vom 02.08.2005