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Kohl »befreit« Pfahls vom
Vorwurf der Bestechlichkeit

Altkanzler sagt im Augsburger Prozess aus - Urteil am 11. August

Augsburg (dpa). Nach der Zeugenaussage von Altkanzler Helmut Kohl (CDU) ist die Staatsanwaltschaft von ihrem Vorwurf der Bestechlichkeit gegen Ex-Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls abgerückt.

Sie erklärte gestern im Augsburger Korruptionsprozess, sie gehe nur noch von Vorteilsannahme und Steuerhinterziehung aus. Kohl hatte zuvor ausgesagt, er habe ganz allein über einen umstrittenen Panzer-Export nach Saudi-Arabien entschieden. Pfahls habe keinerlei Einfluss gehabt.
Pfahls selbst entschuldigte sich bei Kohl, dass er mit seiner Annahme von Schmiergeldern dessen gesamte Regierung in Misskredit gebracht habe.
Der Leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz betonte, dass auch Vorteilsannahme ein Korruptionsdelikt sei. Pfahls hat laut Anklage von dem nach Kanada geflohenen Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber rund zwei Millionen Euro Schmiergeld angenommen und nicht versteuert. Er selbst hat die Annahme von Schmiergeld in Millionenhöhe gestanden, aber stets eine Bestechlichkeit bestritten.
Kohl sagte als letzter Zeuge in dem Prozess aus, er persönlich habe dem damaligen US-Außenminister James Baker im Herbst 1990 den zunächst umstrittenen Export von Fuchs-Panzern nach Saudi-Arabien zugesagt und dies wegen der anstehenden Bundestagswahl im Dezember 1990 geheim gehalten. Auch den damaligen Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) habe er erst später informiert, worauf dieser »ausgesprochen böse« reagiert habe.
»Diese Entscheidung war ganz klar meine Entscheidung. Die Amerikaner wollten, dass wir den Saudis helfen.« Zu Baker habe er gesagt, er könne den Saudis mitteilen, »wir werden die Panzer liefern«.
Kohl erklärte, er habe keinerlei Kenntnis von Bestechung oder Einflussnahme auf diese Entscheidung. »Ich habe nicht verstanden, dass jemand für eine Sache bezahlt, die schon erledigt war«, sagte der frühere Bundeskanzler zu den später bekannt gewordenen Schmiergeldzahlungen.
Jedem sei klar gewesen, dass er seine Zusage an Baker einhalten werde. »Ich war nie bestechlich und werde es nie sein«, bekräftigte Kohl. Er habe stets eine »tief sitzende Abneigung gegen Agenten der Rüstungsindustrie« gehabt.
Die Entscheidung für das Panzer-Geschäft begründete Kohl mit der damaligen Lage im Nahen Osten und dem Überfall Iraks auf Kuwait.
Deutschland sei der Vorwurf gemacht worden, keinen Beitrag im Golfkrieg leisten zu wollen. »Ich habe Baker zugesagt, Deutschland werde jede erdenkliche finanzielle und materielle Hilfe leisten, aber keine Soldaten in die Golfregion schicken«, sagte Kohl. Nach seiner eigenen leidvollen Erfahrung als Flakhelfer im Zweiten Weltkrieg sei das Motto »Nie wieder Krieg« für ihn oberste Maxime gewesen.
Pfahls entschuldigte sich bei Kohl in einer von seinem Anwalt verlesenen Erklärung: »Dr. Pfahls möchte sich bei Ihnen persönlich dafür entschuldigen, dass er durch sein strafbares Verhalten letztlich Sie und die Regierung in einen unzutreffenden Ruf gebracht hat.« Er könne sich nicht verzeihen, sich dem Verfahren durch eine fünfjährige Flucht entzogen zu haben, beteuerte Pfahls.
Er war Mitte vergangenen Jahres in Paris festgenommen und im Januar nach Deutschland ausgeliefert worden.
Kohl war unter größten Sicherheitsvorkehrungen durch die Tiefgarage in das Gerichtsgebäude gebracht worden. Zahlreiche Zuhörer hatten schon in den frühen Morgenstunden gewartet, um die Befragung des gut gelaunt auftretenden Kohl verfolgen zu können.
Wegen des großen Andrangs wurden aber nicht alle Besucher in den Saal gelassen.
Die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung sind für morgen geplant. Ein Urteil wird Donnerstag nächster Woche erwartet.

Artikel vom 04.08.2005