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Führungskräfte kleben
fest an ihren Sesseln

Gräfin Matuschka: Zur Karriere gehört der Wechsel

Von Bernhard Hertlein
Detmold/Paderborn (WB). »Die Führungskräfte in der Wirtschaft kleben viel zu sehr an ihren Posten«, meint Christiane Gräfin Matuschka, Leiterin der Detmolder Niederlassung der bundesweit tätigen Personalberatung Rundstedt und Partner. Selbst gute Aufstiegsmöglichkeiten würden ausgeschlagen, um die vermeintliche Sicherheit des bestehenden Arbeitsplatzes nicht zu gefährden.
Christiane Gräfin Matuschka: Karriere statt Sicherheit.

»Weil so viele fest an ihren Sesseln kleben, bewegt sich so wenig in der Wirtschaft«, erklärte Gräfin Matuschka in einem Gespräch mit dieser Zeitung. Dabei sei für qualifiziertes Personal der Arbeitsmarkt gar nicht so aussichtslos wie es in der Öffentlichkeit den Anschein habe. »Wer belastbar ist und sehr flexibel und sich ein Profil aufgebaut hat, bekommt innerhalb von fünf bis sechs Monaten eine neue Stelle«, behauptet die Gräfin. Zum Beweis führt sie die Statistik ihrer Agentur an: In 98 Prozent solcher Fälle sei die Bewerbung in diesem Zeitraum erfolgreich abgeschlossen worden.
Matuschka zufolge versäumen viele Manager, in der Zeit, in der sie in einer Führungsposition stehen, den nächsten Karrieresprung vorzubereiten. Dazu gehöre nicht nur die Weiterentwicklung der Persönlichkeit, sondern auch der Aufbau eines Netzwerkes. In solchen Fällen bieten Agenturen wie von Rundstedt die Möglichkeit, sich -Êmeist auf ein Jahr befristet - von einem erfahrenen »Coach«Êbegleiten zu lassen.
Dieses Angebot ist im übrigen nicht auf Matuschkas Firma, die deutschlandweit 50 auditierte Trainer beschäftigt, beschränkt. Die Paderborner Unternehmensberaterin Barbara Tigges-Mettenmeier vermittelt beispielsweise gezielt Mentorinnen, die Frauen bei ihrer Karrierebildung unterstützen sollen. »Frauen fallen häufig durch das Raster«, sagt Tigges-Mettenmeier. Der Grund sei nicht unbedingt böser Wille der Männer: »Ihre Kompetenzen und die Bereitschaft, Führungsverantwortung zu übernehmen, werden einfach oft gar nicht wahrgenommen.«
Nicht von ungefähr nennt Matuschka allerdings Flexibilität als eine Grundvoraussetzung für Karriere: »So mancher Facharbeiter hat schon ein Problem, wenn er nach zehn Jahren morgens bei der Fahrt zur Arbeit mal nach rechts statt nach links abbiegen muss.« Eine Chefsekretärin habe die Fahrt von Bielefeld nach Detmold für unzumutbar gehalten. Unter den Voraussetzungen werde der Arbeitsmarkt niemals gesunden.
Als Grundvoraussetzung für den notwendigen Mentalitätswechsel betrachtet Matuschka die Änderung des Kündigungsrechts: »Der jetzige Zustand bandagiert die Unternehmer.« Bevor sie Personal einstellten, prüften sie erst einmal, ob sie eine Chance haben, die neuen Mitarbeiter bei Auftragsrückgang auch wieder los zu werden. Die Folge sei ein starres Zwei-Klassensystem: Stammbelegschlag versus »die Neuen«. Erstere hielten sich für unkündbar und täten alles, um diese Position nicht zu gefährden. »Diese ÝIch- habe-ein-Recht-auf-meinen-Ar-beitsplatzÜ-Manie lähmt Menschen und wirtschaftliche Entwicklung«, meint die Beraterin aus Detmold.
Zu leiden hätten neben den Neueinsteigern alle, die arbeitslos würden, weil sich beispielsweise ihr Konzern von einem kompletten Geschäftsfeld getrennt haben. Hier schlummere bei älteren Führungskräften ein Potenzial, das sich die Wirtschaft viel zu oft und leichtsinnig entgehen lasse: »Fachkräfte, die die 50 überschritten haben, gehören allein deshalb nicht zum alten Eisen.«

Artikel vom 01.08.2005