03.08.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Dürre und Plagen drohen jedes Jahr aufs Neue - Vorsorge hilft

Nicht Hungerkatastrophe, aber massiver Mangel in Niger, Mali und Burkina

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). »Keine Hungerkatastrophe, wohl aber deutlicher Nahrungsmittelmangel«: So beschrieb gestern Gunter Schramm von der Welthungerhilfe die Lage in Niger.

In den westafrikanischen Hungergebieten bestehe nach wie vor ein dringender Bedarf an Aufbaunahrung vor allem für unterernährte Kinder, berichtete der Experte telefonisch aus der Hauptstadt Niamey dem WESTFALEN-BLATT. Bei einer Nahrungsmittelverteilung im Raum Tahoua, an der Schramm am Montag selbst teilnahm, wurden 1900 Kinder untersucht. Davon waren 354 mangelernährt und 32 schwer unterernährt.
Die Deutsche Welthungerhilfe (DWHH) weitet gerade ihre Hilfsprogramme in der Sahelregion aus. In diesen Tagen eingehende Spendengelder sind schwerpunktmäßig für die Hungernden in den Nachbarländern Burkina Faso und Mali bestimmt, wo sich die Lage wie im Niger dramatisch zuspitzt.
»Wir haben noch nie ein Dürrejahr wie dieses erlebt«, sagt Oscar Sawadogo, Leiter der Partnerorganisation der DWHH in Burkina. »Der Preis für Hirse hat sich im Vergleich zum vergangenen Jahr verdreifacht. So teuer war dieses Grundnahrungsmittel noch nie.«
Nach Angaben von Sawadogo haben in zwei Provinzen Burkinas (Bam und Sanmatenga) nördlich der Hauptstadt Ouagadougou 130 000 Menschen nichts mehr zu essen. Sogar die Saatgutvorräte wurden verzehrt. Viele mussten auch ihr Vieh verkaufen. Die Hungernden ernähren sich nun von Blättern und Wildfrüchten.
Im vergangenen Jahr regnete es nur zwei Monate lang. Die durchziehenden Heuschreckenschwärme verschärften die Situation zusätzlich. Die Regierung von Burkina Faso hat Nahrungsmittel in die Regionen gebracht, doch das sei nur ein »Tropfen auf dem heißen Stein«, so Sawadogo.
Im Niger sind die Menschen nach Regenfällen der letzten Tage »etwas optimistischer, dass sich die Situation zumindest ein wenig verbessert,« sagte Schramm dem WESTFALEN-BLATT weiter.
Um derartige Ernährungskrisen in Zukunft zu vermeiden, helfen nach Einschätzung der Welthungerhilfe die jüngst ins Gespräch gebrachten internationalen Nothilfefonds nicht sehr viel weiter. Wichtiger sind nach Angaben der Organisation mittel- und langfristig angelegte Strukturhilfen sowie eine verbesserte Krisenvorsorge der jeweiligen Regierung.
Die Deutsche Welthungerhilfe führt neben der Nahrungsmittelhilfe vor allem Programme in den Bereichen Erosionsschutz, Bewässerung, Getreidespeicherung sowie bei der Verbesserung von Anbaumethoden durch. Schramm fürchtet, dass sich die gegenwärtige Nahrungs-Knappheit jährlich wiederholt, wenn nicht strukturell geholfen wird.
Es sei ein Trauerspiel zu sehen, so Schramm, wie plötzlich einsetzender Regen vieles wegschwemme und dann ungenutzt im Boden versickere. Mit der Anlage von Oberflächendämmen und Erosionsschutz könnte die Voraussetzung für eine natürliche Bewässerung der Felder geschaffen werden. Solche Maßnahmen, Saatgutbanken und strategische Planung ergänzten die durchaus vorhandenen Fähigkeiten der ländlichen Bevölkerung zur Selbsthilfe in Krisensituationen.
Die Nachricht von der Aufstockung der Lieferungen des Welternährungsprogramms von 23 000 auf 96 000 Tonnen allein für Niger wird von den Experten vor Ort durchaus kritisch gesehen. Eine so große Menge werde nicht sofort aufgezehrt und könnte die lokalen Märkte bei der durchaus vielversprechenden Ernte im Oktober/November empfindlich stören.
Die Welthungerhilfe bittet um Spenden: Kontonummer 1115 Sparkasse Köln Bonn BLZ 380 500 00, Stichwort: Sahel.

Artikel vom 03.08.2005