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Vom Ringen um die Solidarität

Großer Jubel bei »Mitridates«-Premiere von Günter Krämer in Salzburg

Von Irmgard Schmidmaier
Salzburg (dpa). Zwei junge Prinzen in kurzen Hosen und ihre Freundinnen vergnügen sich mit Hüpfspielen. Darüber erscheint fünfzehnfach eine Gestalt in Puderperücke mit rotem Samtfrack. Die Mozart-Doubles bekämpfen sich in zwei Gruppen und rutschen wie fallende Puppen über eine Schräge.

Mit diesem beeindruckenden Bild schafft Regisseur Günter Krämer eine Verbindung vom Stück hin zu seinem Komponisten in seiner Neuinszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts frühem Werk »Mitridate, re di Ponto«. Das Premierenpublikum reagierte mit großem Jubel für das Ensemble und das Team.
Bildmächtig, in klaren Farben, schwarz, weiß und rot gestaltet Regisseur Krämer die Inszenierung und rückt den Vater-Kind-Konflikt in den Mittelpunkt des Geschehens in Mozarts Oper um Loyalität und Aufbegehren des Individuums. Mozarts gestaltete seine frühe Opera Seria um das Schicksal des Königs Mithridates VI. Eupator (ca. 130-63 v. Chr.). Der lässt aus dem Krieg die Nachricht seines Todes verbreiten, um die Loyalität der Söhne auf die Probe zu stellen.
Sifare (Miah Persson) und Farnace (Bejun Mehta), der mit Ismene (Ingela Bohlin) verlobt ist, sind beide in Aspasia (Netta Or) verliebt, die dem König versprochen ist. Die Prinzen erscheinen zunächst als Kinder, die sich zu Hause austoben, wenn der Papa im Krieg ist. Sie erschrecken vor dem raschen Erwachsenwerden-Müssen, als die Todesnachricht eintrifft. Und dann, als der tot geglaubte König zurückkommt, beginnt das Ringen um geschwisterliche Solidarität, Loyalität gegenüber dem herrschenden Vater. Die Söhne haben strategische Einwände gegen seine militärischen Pläne und müssen vor allem ihre eigenen Empfindungen behaupten.
Das junge Bühnenensemble mit Countertenor Mahte an der Spitze geht mit Frische, musikalischer Souveränität und darstellerischer Spielfreude ans Werk. Dirigent Marc Minkowski entlockt seinen Musiciens du Louvre jene Leidenschaft, die das kompositorische Geschick des jungen Mozart, zum Klingen bringt. Den Sängern gelingt es, die feinen Schattierungen und Stimmungswechsel der Komposition herauszuarbeiten. Mit psychologisch genau beobachteten kleinen Szenen von Konkurrenz und Koketterie, Rivalität und Nähe hält das Ensemble die Spannung aufrecht.
Die raffiniert gestaltete Bühne von Jürgen Bäckmann erlaubt dazu eine Reihe überraschender Effekte, amüsanter Assoziationen und rätselhaft bleibender Bilder. Eine schmale Vorderbühne, auf der sich das Hauptgeschehen abspielt, wird nach hinten von einer Reihe wandelbarer Elemente begrenzt, die einmal weiss, dann schwarz als Durchgang oder Rückwand dienen. Ein riesiger Spiegel über der gesamten Bühne öffnet gleichzeitig den Blick auf eine dahinter liegende Schräge, auf der einmal das Volk von Pontus als japanische Kampfschule erscheint, dann der heimkehrende König. Auch die beeindruckende Auflösung, in der Mithridates sich selbst aus Einsicht tötet, ist über diesen Spiegel zu sehen.
Mit der umjubelten Premiere ist dem Team des »Mitridate« ein vielversprechender Ausblick auf das »Mozartjahr« 2006 gelungen. Im kommenden Jahr, wenn die Musikwelt den 250. Geburtstag des Genius Loci feiert, zeigen die Salzburger Festspiele alle 22 Bühnenwerke des Komponisten.

Artikel vom 30.07.2005