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Suche nach Rucksackbombern
live im Fernsehen übertragen

Vier mutmaßliche Terroristen von britischer und römischer Polizei gefasst

London/Rom (Reuters/dpa). Gut eine Woche nach den jüngsten Anschlägen in London sind den Fahndern alle vier Täter ins Netz gegangen. Nach einer zum Teil direkt im Fernsehen übertragenen Großrazzia in London kam am Freitagabend die Bestätigung der Polizei: »Wir haben sie.«
Im Rahmen ihrer Groß-Fahndung nach den Verantwortlichen für die Anschläge vom 21. Juli startete die Polizei am Freitag in und um London mehrere Razzien. Dabei wurde der Stadtteil Notting Hill abgeriegelt.

Ein Polizeibeamter, der namentlich nicht genannt werden wollte, nannte die Festnahmen »potenziell sehr bedeutend«. Das italienische Innenministerium teilte kurz darauf mit, der letzte noch flüchtige Attentäter sei in Rom festgenommen worden.
Ein erster Verdächtiger war am Mittwoch in Birmingham dingfest gemacht worden. Die Anschläge auf das Londoner Nahverkehrsnetz am 21. Juli waren im Gegensatz zu denen zwei Wochen zuvor glimpflich verlaufen, weil die Bomben nicht richtig zündeten.
Im britischen Fernsehen wurden zunächst dramatische Bilder von einer Razzia im Westen der Hauptstadt live übertragen. Schwer bewaffnete Beamte umstellten die Wohnung eines Verdächtigen und forderten den Mann auf, sich zu ergeben. »Mohammed, komme nur in Unterwäsche und mit erhobenen Händen heraus«, zitierte eine Zeugin die Polizei. »Warum sollte ich so herauskommen?«, habe der Mann danach gefragt. »Wir müssen sicherstellen, dass du keinen Sprengstoff trägst«, habe ein Polizist geantwortet. Die Behörden ließen die Übertragung unterbrechen.
Andere Augenzeugen berichteten von sechs Explosionen, die von der Polizei auf Blendgranaten zurückgeführt worden seien sowie von Feuer aus automatischen Waffen. Auch in dem Stadtteil Notting Hill gab es Zeugen zufolge eine Razzia. Die Sender BBC und Sky TV berichteten unter Berufung auf Polizeikreise, die beiden mutmaßlichen Urheber der Anschläge auf die U-Bahnstation Oval und auf den Bus Nummer 26 seien in Haft genommen worden. Sie seien zum Hochsicherheitsgefängnis Paddington Green gebraucht worden, sagte ein Polizei-Vertreter. Londons Polizeichef Ian Blair hat wiederholt vor weiteren Attentaten gewarnt, solange die Täter auf freiem Fuß seien.
Italiens Innenminister Giuseppe Pisanu teilte am späten Nachmittag mit, der Gesuchte Osman Hussain - ein Brite somalischer Herkunft - sei gefasst worden. Ein Vertreter der Stadtregierung sagte, der Verdächtige sei in der Wohnung eines Verwandten in Rom festgenommen worden. Die italienische Nachrichtenagentur Ansa meldete zudem, der 27-Jährige sei nach den Anschläge in London nach Italien geflohen.
Am Mittwoch war als erster der mutmaßlichen Attentäter Yasin Hassan Amar (24) in Birmingham überwältigt worden. Der gebürtige Somalier lebte seit vielen Jahren legal auf der britischen Insel.
Unterdessen wies Scotland Yard Berichte über die Festnahme des mutmaßlichen »Hintermannes« der Selbstmordanschläge vom 7. Juli zurück. »Das ist alles Spekulation und nichts, was wir im Augenblick diskutieren wollen«, sagte eine Sprecherin der Londoner Polizei. Der Muslim Haroon Rashid Aswat (30), ein britischer Staatsbürger indischer Herkunft, war nach US-Medienberichten in Südafrika nach amerikanischen Polizeihinweisen aufgespürt worden und befinde sich derzeit in Sambia in Gewahrsam.
Das Außenministerium in London bestätigte, dass es sich darum bemühe, Zugang zu einem britischen Staatsbürger zu bekommen, der sich in dem afrikanischen Land in Haft befinde, nannte jedoch keinen Namen. Britische Medien hatten Aswat wiederholt als »britischen El-Kaida- Führer« bezeichnet. Die Londoner »Times« berichtete, Aswat sei zwei Wochen vor den Anschlägen vom 7. Juli in Großbritannien eingetroffen, um die Vorbereitungen des Verbrechens zu leiten. Bei den Attentaten waren 52 Menschen getötet und etwa 700 weitere verletzt worden. Wenige Stunden vor der Tat soll Aswat das Land wieder verlassen haben. Nach Angaben des südafrikanischen Fernsehsenders e-tv hat der 30-Jährige 20 Mal mit den vier Rucksackbombern telefoniert. Nach sambischen Medienangaben waren unmittelbar nach Aswats Festnahme britische und US-Anti-Terror-Spezialisten in Sambia eingetroffen.

Artikel vom 30.07.2005