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»Es menschelt so«
Mit Sack und Pack auf der Donau bis zum Schwarzen Meer
Helma Rincklebens Liebe gehört Europas Flüssen. »Ich bin mehr auf dem Wasser als Zuhause«, sagt die 85-Jährige. Mehrmals im Jahr reist die braun gebrannte und durchtrainierte Marburgerin zu Bootstouren auf den großen Strömen des Kontinents.
In diesem Jahr bezwingt die Seniorin auch Europas zweitlängsten Fluss: Die begeisterte Wassersportlerin ist die älteste von mehr als 1000 Teilnehmern bei der größten Kanutour der Welt auf der Donau.
Seit einem halben Jahrhundert treffen sich Kanuten aus aller Herren Ländern bei der »Tour International Danubien« und paddeln mehrere Wochen lang gemeinsam stromabwärts. Im Jubiläumsjahr dauert das Spektakel 13 Wochen.
Erstmals legen einige Wassersportler bei der 50. Tour die 2860 Kilometer lange Strecke ganz zurück. Von der Quelle der Donau in Donaueschingen bis zur Mündung des Flusses ins Schwarze Meer müssen sie ihre Paddel fast eine Million Mal in die Fluten tauchen.
»Die Tour ist ein großes Abenteuer«, erklärt Organisator Max Scharnböck vom Deutschen Kanu-Verband. Die Sportler aus 13 Ländern, darunter auch aus Australien und den USA, müssen bei jedem Wetter an die Paddel - egal ob es regnet, stürmt oder die Sonne brennt. In diesem Punkt muss der 57-Jährige Polizist aus Landshut hart bleiben, der festgelegte Terminplan muss penibel eingehalten werden.
Die zwischen 16 und 61 Kilometer langen Tagesetappen sind vom ersten bis zum letzten Tag genau festgelegt. Für jede Strecke haben die Kanuten bis zu zehn Stunden Zeit. »Unterwegs bestimmt jeder sein eigenes Tempo«, erklärt Scharnböck. Die Teilnehmer, die in diesem Jahr zwischen 14 und 85 Jahre alt sind, können ihre Bootswanderung an unterschiedlichen Orten beginnen und beenden. So sind während der drei Monate meist etwa 300 Paddler gemeinsam auf dem Fluss unterwegs.
Ihr gesamtes Gepäck inklusive der Campingausrüstung müssen die Sportler in ihren Kajaks und Kanadiern mitnehmen. Am Tagesziel müssen die Kanuten erst einmal die Zelte aufbauen. Nach einer kurzen Pause gibt es meist noch eine Stadtführung.
Die heute längste Kanutour der Welt, die von den Kanu- und Ruderverbänden der Donauanrainerstaaten organisiert wird, begann 1956 als Friedensfahrt zwischen Bratislava (heute Slowakei) und Budapest (Ungarn). Mittlerweile ist die Strecke auf das Zehnfache angewachsen. Der Grundgedanke, der den Eisernen Vorhang, Kriege und Revolutionen überdauert hat, ist jedoch geblieben. »Wir wollen die Menschen aus verschiedenen Ländern zusammenbringen«, erklärt Scharnböck. Das hat nicht nur zu jahrelangen Freundschaften, sondern auch zu zahlreichen Ehen geführt. Fast drei Viertel der Teilnehmer sind bereits seit mehreren Jahren dabei.
»Durch die gemeinsamen Strapazen kommt man sich schnell näher«, weiß auch Helma Rinckleben, die bereits zum 18. Mal bei der Tour mitpaddelt. Bei gemeinsamen Essen mit Schnitzeln, Fischsuppe, Eintopf oder Cevapcici bleibt genug Zeit für ausgedehnte Gespräche im Wirtshaus oder am Lagerfeuer. Die Hessin, die seit fast 60 Jahren Kanu fährt, will im nächsten Jahr auf jeden Fall wieder zu der großen Donaufahrt kommen: »Es menschelt hier so kolossal.«
Stefanie Baumer (dpa)

Artikel vom 06.08.2005