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Sieg bei Sedan gefeiert
und die Toten besungen

Auch Alltag zur Kaiserzeit bot allerlei Abwechslung

Niederdornberg-Deppendorf (gge). Höhepunkte im Ablauf des Schuljahres in Deppendorf um die Jahrhundertwende waren nicht nur das Sedanfest (siehe nebenstehenden Bericht). Auch der Heilige Abend wurde Anno 1884, als Johann Friedrich Wilhelm Rolf zur Schule kam, zum besonderen Ereignis.

Die Kinder feierten das Fest wie alljährlich mit ihren Eltern auf der Diele des Kolon Oberhorstkotte (heute Wulfmeyer, Schloßstraße 11 in Schröttinghausen). »Ein großer Weihnachtsbaum war mit Kerzen geschmückt«, heißt es dazu in der Schulchronik, »weil nicht alle Kinder im Elternhaus einen Christbaum hatten.« Während der Feier schenkte der Hausherr im Auftrag der Gemeinde mit damals 252 Einwohnern dem Lehrer Kastrup ein Harmonium. Bedingung: Es durfte nur zu christlichen Zwecken genutzt werden. Für den von Lehrer Kastrup sechs Wochen zuvor gegründeten Christlichen Jungfrauenverein und das Harmonium hatten Mitglieder der Schulgemeinde 180 Reichsmark gespendet. Die Gabe sollte das christliche Lied fördern.
Im gleich Jahr wurde am Tage des Dornberger Jahrmarktes (15. Juli) für die Deppendorfer, Niederdornberger und Schröttinghauser Schüler auf dem Hofe der Kolonin Eickhoff in Niederdornberg (heute Möllenbrock, Deppendorfer Straße 88) ein Kinderfest veranstaltet. Dadurch sollten die Kinder »vor den Gefahren des Jahrmarkts bewahrt bleiben«.
Schulausflüge hatten gegen Ende des 19. Jahrhunderts ebenfalls ihre eigenen Formen. Um 6.00 Uhr früh startete zum Beispiel eine Gruppe am 11. Juni 1896 auf dem offenen, festlich geschmückten Leiterwagen, um die Anstalt Bethel zu besuchen. Um 11 Uhr gab es Limonade und Butterbrote. Von einem Regenschauer völlig durchnässt, kamen die Schülerinnen und Schüler nachmittags wieder zu Hause an.
Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wuchs auch der Wohlstand. Der Tagelöhner verdiente 2,50 Mark. Zu den Aufgaben des Lehrers in Deppendorf gehörte es, die Leichen zu »besingen«. Dafür ging er mit den Schülern zum Beerdigungstermin in das Trauerhaus. Die Kinder sangen während der Trauerfeier, ebenso auf dem Weg zum Friedhof. Bei der Feier im Trauerhause wurden der Lebensablauf des Toten verlesen, den der Lehrer vorbereitet hatte. Das »Besingen« erhielten Lehrer und Schüler bezahlt. Zusätzlich bekamen die Kinder jeweils ein Brötchen und der Lehrer eine Fülle Bier aus dem Eimer.

Artikel vom 03.08.2005