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Betrugsverdacht im Rathaus

Finanzaffäre Koch: Neue Ermittlungen gefordert

Von Ernst-Wilhelm Pape
Detmold (WB). Im größten Finanzskandal deutscher Städte und Gemeinden sind nach Angaben des Bundes der Steuerzahler (BdSt) auch kommunale Beamte, wie Stadtkämmerer, unter Korruptionsverdacht geraten. Der BdSt forderte die Staatsanwaltschaften auf, zu prüfen, in wie vielen Fällen Bestechlichkeit, Untreue und Betrug vorliegt.

Bisher ist in der Finanzaffäre erst eine Anklage gegen einen kommunalen Bediensteten erhoben worden. Dem früheren Finanzabteilungsleiter der Städtischen Kliniken Osnabrück wird Bestechlichkeit und Untreue in mehr als 30 Fällen vorgeworfen. Der 63-Jährige soll unter anderem Geld der Kliniken in einem weit verzweigten Finanzsystem des in Namibia in Auslieferungshaft sitzenden Finanzmaklers Hans-Jürgen Koch (56) aus Bayern angelegt haben. Dem Krankenhaus sei dabei ein Millionenschaden entstanden. Der Angeklagte soll auch von Koch privat Geld erhalten und ferner einen kostenlosen Urlaub auf dessen Anwesen in Namibia verbracht haben. Das Landgericht will gegen den 63-Jährigen aber erst verhandeln, wenn Koch ausgeliefert ist und als Zeuge zur Verfügung steht. Deshalb gebe es noch keinen Prozesstermin, sagte Gerichtssprecher Bert Karrasch.
Außer in Osnabrück seien in anderen Kommunen immer noch zahlreiche weitere Stadtkämmerer trotz des Finanzskandals im Amt und anscheinend ohne Unrechtsbewusstsein, beklagte gestern der BdSt-Kommunalexperte Eberhard Kanski.
In den Finanzskandal sind bundesweit 350 Kommunen und kommunale Verbände verstrickt. Der Schaden wird mit mindestens 43 Millionen Euro angegeben. In Ostwestfalen-Lippe sind bisher Blomberg, Detmold, Rödinghausen, der Kreis Lippe, Lage, Paderborn, Rheda-Wiedenbrück, Salzkotten und die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Paderborn betroffen.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft München hat Finanzmakler Koch (56) von 1991 bis März 2000 ein Schneeballsystem aufgezogen. Die Städte gaben sich untereinander Kredite. Koch vermittelte Kommunen, die Geld benötigten, an solche, die Geld anlegen wollten. Die Konditionen waren für die Städte günstiger als bei Banken und Sparkassen. Dafür erhielt Koch eine Provision. Im Rahmen der Geld-Transaktionen soll Koch auch Millionen für sich abgezweigt haben. Koch sitzt seit knapp drei Jahren in Namibia in Untersuchungshaft. Mit seiner Auslieferung wird nach dem jüngsten Urteil des Obergerichts Windhuk noch in diesem Jahr gerechnet.

Artikel vom 29.07.2005