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Leitartikel
Jürgen Schrempp

Profit für mich, Dolores für andere


Von Bernhard Hertlein
Abschiede werden sonst anders begangen. Mit wohl gesetzten Dankesworten statt mit einem Freudenfeuerwerk der Aktienkurse. Mit einem millionenschweren »goldenen Händedruck« und einem Posten im oder an der Spitze des Aufsichtsrates statt mit dreijährigem Gehaltsverzicht.
Doch Jürgen Schrempp, der scheidende Vorsitzende des größten deutschen Industriekonzerns, DaimlerChrysler, ist Schmerzen gewohnt. Nur dass er die Schmerzen anderen zugefügt hat. Vorstandskollegen. Belegschaftsmitgliedern. Den Aktionären. Und zuletzt mit spektakulären Rückrufaktionen sogar den Verkäufern und Kunden, die am Ort für den Stern der deutschen Automarken einstehen.
Schmerzen (spanisch: Dolores) prägten Schrempps Karriere schon, als er noch an der Spitze von Daimlers Luft- und Raumfahrtsparte DASA stand. »Dolores« (Dollar Low Rescue) nannte er das Kostensenkungsprogramm, das 16 000 Beschäftigte die Stelle kostete. Dass er den niederländischen Flugzeug-Hersteller Fokker zuerst kaufte und zwei Jahre später mit einem Verlust von 5,5 Milliarden Mark wieder verkaufte, hätte für andere als Schrempp das Ende der Karriere bedeutet. Doch der Seilschafts-Tänzer hangelte sich mit Hilfe seines Förderers Edzard Reuter ganz nach oben. Anschließend zerschnitt er das Seil, das ihn mit dem Vorgänger verband. Reuters »Traum« vom Technologiekonzern endete jäh mit dem Verkauf von Dornier und AEG.
Schrempp, der große Zampano, folgte einem eigenem Traum, dem der »Welt AG«. Dafür nahm er viel Geld der Aktionäre in die Hand, kaufte Chrysler und beteiligte sich an Mitsubishi. Beide fuhren sofort in die roten Zahlen.
Doch wer glaubte, der Fürsprecher des »Shareholder-Value« und »Profit, Profit, Profit«-Prediger werde im Canossa-Gewand zu den Aktionären schleichen und sich dafür entschuldigen, dass der Aktienkurs von 1999 bis 2004 auf ein Drittel abgesackt und der Konzern heute nicht mehr wert ist als zu Beginn seiner Amtszeit Daimler Benz allein, der kennt Schrempp nicht.
Der wegen seiner rüden Methoden auch Rambo genannte Meister duldet in seiner Umgebung nur Ja-Sager. Das bekam sein jetziger Nachfolger Dieter Zetsche zu spüren. Als der Chrysler-Sanierer es wagte, Kritik am »strategischen Partner« Mitsubishi zu äußern, flog er aus der Schremppschen Seilschaft.
Das Dolores-Programm aber wurde unter anderen Namen fortgesetzt. Der Konzern hat unter Schrempps Führung 80 000 Arbeitsplätze abgebaut. Sicher ist es richtig, dass sich die Belegschaft am Hauptstandort Sindelfingen in guten Jahrzehnten manches Privileg erkämpfte, für das es heute keine Existenzberechtigung mehr gibt. Doch wer wie Schrempp Verzicht predigte, selbst aber sein Jahresgehalt trotz schlechter Leistung auf mittlerweile 5,4 Millionen Euro verdreifachte, musste einfach ersetzt werden. Eher muss sich der Aufsichtsrat jetzt fragen lassen, warum er so lange an diesem Manager festhielt.

Artikel vom 29.07.2005