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»Jessica bringt
ganz und gar
Elementares«

Wedekinds »Lulu« wird verfilmt

Von Paul Barz
Hamburg/Berlin (dpa). Im Hotel ist alles möglich. Unten in der Luxus-Suite lässt sich die schöne Männervertilgerin Lulu malen, oben unterm Dach lauert schon Jack the Ripper. Weshalb denn auch Regisseur Uwe Janson seine Verfilmung von Frank Wedekinds Tragödie »Lulu« in ein Hotel verlegt hat.
Jessica Schwarz und Matthias Schweighöfer in einer »Lulu«-Drehpause.Foto: dpa

Hochdruck beim Dreh im einstigen Berliner Hotel Cumberland am Kurfürstendamm, nach seiner Hotel-Ära Verwaltungsgebäude, nun eine begehrte Film-Location. In nur 22 Drehtagen muss der Zwei-Stunden-Film im Kasten sein. »Lulu« Jessica Schwarz seufzt ein bisschen: »Ich bin Takes von zwei Minuten gewöhnt. Hier dauert mancher eine Viertelstunde und länger.« Aber das ist Prinzip: Der Theatercharakter soll erhalten bleiben, die Darsteller - neben Schwarz viel hochkarätige Prominenz wie Sylvester Groth, der »Schiller« Matthias Schweighöfer, Esther Zimmering - sollen sich ausspielen können, Wedekinds Sprache zum Klingen bringen.
»Diese Sprache vor allem hat mich fasziniert«, sagt Regisseur Janson. Im letzten Jahr - ein ähnliches Abenteuer - hatte er schon Brechts Frühwerk »Baal« filmisch umgesetzt, verlagert ins Berliner Rocker-Milieu. Der Erfolg war groß, in Frankreich fast mehr noch als hier. 900 000 französische Zuschauer sahen zu, als dort der Film auf Arte lief. Arte und 3sat sind auch bei »Lulu« beteiligt, bei Arte wird Ende des Jahres die Erstausstrahlung sein. Dann folgt der ZDF-Theaterkanal, in dessen Auftrag der Film entsteht. Zwei weitere anspruchsvolle Projekte sind dort in Vorbereitung: »Nachtasyl« und »Kabale und Liebe« in der Regie von Leander Haussmann.
»Lulu« war ein spezieller Vorschlag Jansons gewesen. Er bereut ihn nicht: »Diese Sinnsuche einer Lebens- und Liebessüchtigen hat eine fast beängstigende Nähe. Vielleicht begreifen wir den Stoff besser noch als zu seiner Entstehungszeit, als er ganz unter dem Vorzeichen des Skandalösen stand.« Ein Abenteuer soll dieser Film sein, der mit einem Budget von gerade einer halben Million Euro entsteht (weshalb Regisseur und Darsteller auf Gagen verzichtet haben): »Wir gehen auf Entdeckungsfahrt, hier bei der Arbeit und später auch der Zuschauer, mit ungewissem Ziel.« Deshalb wollte er auch die Bühnen-unerfahrene Ex-Viva-Moderatorin Jessica Schwarz als Lulu haben: »Eine versierte Theaterschauspielerin hätte gute, vorhersehbare Arbeit abgeliefert. Jessica bringt ganz und gar Elementares ein. Ich prophezeie ihr einen großen Weg als Charakterdarstellerin.«
Produzent Christian Rohde von Teamworx, wo schon »Baal« entstand: »Ich glaube, für das Genre »Theaterverfilmung« haben wir einen neuen Maßstab gesetzt.« Und: »Wir hungern doch so nach großen Stoffen und großen Emotionen. Wir müssen dafür nicht nach Amerika schauen. Unsere eigene Klassik bietet sie zuhauf.« Regisseur Uwe Janson ist da etwas vorsichtiger: »Ich selbst würde mich nicht gleich auf jeden großen Stoff stürzen wollen. Vor einem »Faust« im Film hätte ich zum Beispiel zu große Angst. Da müsste ein Meister her, ich sehe mich eher als Praktikant.«

Artikel vom 30.07.2005