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Der älteste Mann der
Stadt wird heute 106

Georg Neumann feiert Geburtstag mit zwei Husaren

Von Matthias Meyer zur Heyde und Carsten Borgmeier (Foto)
Bielefeld (WB). »Ich werde viel Besuch bekommen!« Ein seliges Lächeln huscht über Georg Neumanns Gesicht, als er erzählt, dass ihm heute jeder gratulieren möchte. Die Glückwünsche gelten dem ältesten Mann Bielefelds: Georg Neumann feiert 106. Geburtstag.

Gewiss den buntesten Eindruck werden heute die Gäste von Schloss Rheder hinterlassen. Von diesem im Kreis Höxter gelegenen Husaren-Museum reisen zwei Abgesandte in traditioneller Uniform an, denn Georg Neumann ist Ostwestfalens letzter Angehöriger jener legendenumrankten Waffengattung: dem 8. Husarenregiment von Schloß Neuhaus.
Glücklich aber ist der Vater einer Tochter - Antonie Senge sorgt seit Jahr und Tag für ihn -, der fünffache Großvater und vierfache Urgroßvater besonders über seine Verwandten. Zwar wird eine Urenkelin fehlen, die sich gestern nach Griechenland verabschiedete, »aber diese Reise hat sie sich redlich verdient: Sie hat gerade das Abitur mit der Durchschnittsnote 1,0 bestanden!«
Die Familie stand immer an erster Stelle für den im brandenburgischen Neuhof geborenen ältesten Sohn eines Stichmeisters einer Tongrube und Ziegelei. Der starb bereits mit 37 Jahren, und weil die Mutter die vier Geschwister nicht alleine durchbringen konnte, verließ Georg Neumann die Mittelschule und wurde Büroangestellter. Zwölf Jahre beim Militär folgten, und im Oktober 1936 wurde er, nunmehr Zivilangestellter der Wehrmacht, nach Bielefeld versetzt. »Bis mich eines Tages der Teufel ritt, und ich im Büro mit ÝGuten Morgen und für Andersgläubige Heil HitlerÜ grüßte - da schickte man mich an die Front nach Italien.« Nach dem Krieg bekleidete Georg Neumann eine Stelle als Magazinverwalter beim Fahrstuhlbauer Hillenkötter &  Ronsiek.
Seine Nachkommen schwärmen von seinen phantasievollen Geschichten und Spielen, die er aus dem Stegreif erfand. Kein Wunder, Georg Neumann hat ja auch viel erlebt. Er war Augenzeuge, als in Zehdenick, wo er aufwuchs, die erste Glühbirne aufleuchtete, und »als der Dorfarzt sich ein Auto kaufte, liefen alle Bewohner zusammen.«
»Mit Hingabe hat er Enkel und Urenkel durch den Bürgerpark kutschiert«, erzählt seine Tochter. Georg Neumann selbst reiste gerne durch die Republik, »und mit 89 Jahren bin ich noch aufs Nebelhorn gestiegen.«
Der Protestant konvertierte früh zum Katholizismus: »Sonst hätte ich meine Elisabeth nicht heiraten dürfen.« Nach ihrem Tod wirkte Georg Neumann als Küster in der Liborius-Gemeinde und besuchte 16 Jahre lang jede Frühmesse. Noch heute vergeht kein Wochenende ohne Kirchgang. »Wir wollen sehen, wieviel Zeit der Herrgott mir noch gibt.« Wer Georg Neumann nach Geburtstagswünschen fragt, erhält jedenfalls zur Antwort: »Ein weiteres gesundes Jahr!«

Artikel vom 28.07.2005