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Im Meerkotten scheint die Zeit stehen zu bleiben

Ältester Teil des Gebäudes besteht 250 Jahre - Wohnhaus ist eine Kultkneipe    


Von Jürgen Rahe
(Text und Fotos)
Ubbedissen (WB). Wenn nicht die beiden Windräder in Sichtweite wären, könnte man meinen, hier sei die Zeit stehen geblieben. Die Rede ist vom Wohnhaus Meerkotten - idyllisch im nördlichen Zipfel von Ubbedissen gelegen. Der älteste Teil des Gebäudes mit seinem historisch wertvollen Torbogen besteht jetzt genau 250 Jahre.
Die Inschrift des Torbogens dokumentiert das Jubiläum klar und deutlich - mit der Jahreszahl 1755. Sehr gut zu erkennen sind auf der Inschrift auch die Lippische Rose, der Preußische Adler sowie die Ravensberger Sparren.
Aufmerksam geworden auf das Jubiläum war Werner Kindsgrab (80) vom seit zehn Jahren bestehenden Verein für Dorfgeschichte Ubbedissen/Lämershagen. Wen wundert's, ist Kindsgrab doch im Verein als Archivar tätig. Und hier geht der rüstige Senior heimatkundlichen Dingen minuziös auf die Spur.
Sehr zur Freude von Vereinschef Ernst-Friedel Köppe. Für den 65-jährigen Köppe stand sogleich fest: »Das ist für Ubbedissen ein stolzes Ereignis. Schon 1994 haben wir in unserem ersten Ubbser Heimatbuch dem Torbogen einen gebührenden Platz gewidmet. Auf das Jubiläum nun werden wir selbstverständlich anstoßen.«
Gesagt, getan. Neben Köppe und Kindsgrab machten sich Köppes Stellvertreter Herbert Schröder, Waidmann Werner Drewer sowie Hegeringsleiter Michael Gran auf den Weg zum Wohnhaus Meerkotten, das längst zu einer Art Kultkneipe geworden ist. Und hier wartete schon erfreut Pächter Heinz Neuwöhner (59), um seinen Gästen ein frisch gezapftes Pils zu kredenzen. Neuwöhner: »Natürlich wusste auch ich von dem runden Jubiläum. Aber davon viel Aufhebens zu machen, ist nicht unbedingt mein Ding.«
So aber plauderte der mit einer Menge trockenem Humor ausgestattete Wirt gerne aus vergangenen und jetzigen Zeiten.
Erbauen ließ den Kotten vor 250 Jahren die Familie Niebuhr, in deren Eigentum sich die an der Bechterdisser Straße 147 gelegene Immobilie auch heute noch befindet. Genutzt worden war der Kotten zunächst nur für die Landwirtschaft. Später war das Gebäude auch eine Art Zollhaus. Denn bis zur lippischen Grenze ist es von hier aus fast nur einen Katzensprung weit.
Anfang des vorigen Jahrhunderts hielt dann die Gastronomie Einzug in den Meerkotten. Obwohl aufgrund des hier oft wasserreichen Bodens der Bierkeller früher häufig von Nässe heimgesucht worden sein soll, war das Thema Gastronomie nie eine Eintagsfliege. Im Gegenteil: Der »Meerkotten« gilt heute bei Gästen als Geheimtipp.
Heinz Neuwöhner schmunzelt: »Meine berühmten Bratkartoffeln haben sich eben in der Region herumgesprochen. Bei mir schmeckt's wie bei Muttern.«
Neuwöhners Mutter Antoniette war es, die den »Meerkotten« 1960 von den Eltern Werner Drewers übernahm. Die Drewers hatten das Haus zuvor 30 Jahre lang als Kolonialwarengeschäft, Bäckerei und Gaststätte geführt. Die Neuwöhners setzten indes voll auf die Karte Gastronomie. Heinz Neuwöhner, Junggeselle und nebenbei auch passionierter Pferdezüchter, ist vor der Zukunft nicht Bange. »Meine Aufgabe als Wirt macht mir sehr viel Spaß. Die Gäste können noch lange auf mich zählen.«
Eingerichtet ist das urige Lokal mit Biergarten in nostalgischem Stil. Und wer will, darf an der Musikbox auch einen Titel von Elvis oder den Beatles drücken.

Artikel vom 28.07.2005