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Kassen: Beiträge müssen rauf

Ausgaben für Arzneimittel liegen um 20 Prozent über Vorjahresniveau

Berlin (dpa/Reuters). Millionen Versicherten droht nach Einschätzung mehrerer großer gesetzlicher Krankenkassen ein höherer Beitragssatz wegen der steigenden Arzneimittelpreise. Mehrausgaben für Medikamente könnten für ein 700-Millionen-Euro-Minus sorgen.

Ärzte und Krankenkassen wollen sich nach dem vorläufigen Scheitern ihrer Verhandlungen über Kostendämpfungen jedoch erneut zusammensetzen, um neue Belastungen für die Versicherten zu verhindern.
»Ich rechne in diesem Jahr bundesweit mit leicht steigenden Beiträgen bei den gesetzlichen Krankenkassen«, sagte der Vorstandschef der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH), Ingo Kailuweit. Der Sprecher der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK), Jörg Bodanowitz, erwartet 2006 »Beitragssatzerhöhungen bei kleineren Kassen, die nicht vorgesorgt haben«, sollte der Ausgabenanstieg anhalten. Gespräche über gemeinsame Maßnahmen zur Kostendämpfung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und den Kassen-Verbänden waren am Mittwoch vorläufig gescheitert.
Der Apothekerverband ABDA - hatte eine 20-prozentige Ausgabensteigerung für Arzneimittel im ersten Halbjahr auf 11,1 Milliarden Euro festgestellt. Während die Krankenkassen von einem Ausgabenplus von vier Milliarden auf etwa 24 Milliarden Euro 2005 warnten, sagte eine ABDA-Sprecherin, der Trend nach oben müsse sich keinesfalls bis zum Jahresende fortsetzen.
Kailuweit rechnet mit Mehrausgaben von bis zu 19 Prozent und einem Minus für die Kassen bis zu 700 Millionen am Jahresende. Kailuweit schloss sich der Forderung von Barmer-Chef Eckard Fiedler an, einen neuen Zwangsrabatt für Arzneimittel per Gesetz einzuführen.
Im Streit um die steigenden Arzneimittelkosten werden sich Experten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverbände der Kassen im Spätsommer erneut treffen, kündigte KBV-Sprecher Roland Stahl am Freitag an.
Der Bundesverband der Betriebskrankenkassen betonte: »Es wäre gut, wenn die KBV ihre Verweigerungshaltung aufgibt, an den Verhandlungstisch zurückkehrt und sich ihrer Verantwortung für die Arzneimittelausgaben stellt.« Der Sprecher des BKK-Bundesverbands, Florian Lanz, sagte, dies müsse so schnell wie möglich geschehen, »denn Arzneimittelausgaben sind Beitragsgelder«. Die Vorwürfe von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD), sich einer Kostendämpfung zu verweigern, wies KBV-Sprecher Stahl als »Wahlkampftöne« zurück.
Gesetzliche Regelungen hat Gesundheitsministerin Schmidt bereits abgelehnt, da sie ärztliche Verordnungen nicht steuern könne. Sie hatte wegen der starren Haltung von Krankenkassen und Ärzten bereits mit einem Ende der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen gedroht.
Auch Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller (CSU) hält nichts von neuen Gesetzen. Er appellierte hingegen an Kassen und Ärzte, Reserven im System zu nutzen, um den Ausgabenanstieg zu begrenzen. Eine gesetzliche Erhöhung der Rabatte der Pharmafirmen an die Krankenkassen, wie etwa von der Barmer Ersatzkasse gefordert, würde zur Abwanderung von Unternehmen führen. Einsparungen könne es durch das Ausschöpfen von Wirtschaftlichkeitsreserven geben.
»Das ist Aufgabe der Selbstverwaltung von Kassen und Ärzten«, sagte Zöller. Wenn die Selbstverwaltung jedoch nach dem Gesetzgeber rufe, stelle sie sich selbst in Frage.

Artikel vom 30.07.2005