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Schrempp ließ niemanden kalt

DaimlerChrysler-Chef geht vor der Zeit -ĂŠAktionäre reagieren erleichtert

Stuttgart (dpa). DaimlerChrysler-Chef Jürgen Schrempp (60) verlässt nach zehn Jahren an der Spitze überraschend den Autokonzern. Am 1. Januar 2006 tritt der erfolgreiche Chrysler-Sanierer Dieter Zetsche (52) die Nachfolge als Vorstandsvorsitzender des größten deutschen Unternehmens an.

Nach einem Bericht der Internet-Ausgabe des »manager magazins« soll daraufhin Mercedes-Chef Eckhard Cordes seinen Rücktritt angeboten haben. Der Aufsichtsrat habe um Bedenkzeit gebeten. Ein Konzernsprecher wollte dies nicht kommentieren. Cordes, dem auch Chancen für die Nachfolge von Schrempp nachgesagt wurden, habe als Begründung angegeben, er glaube, nicht mehr das volle Vertrauen des Aufsichtsrates zu besitzen.
Die Börse reagierte auf die Nachricht von Schrempps Rückzug mit einem Kurssprung von bis zu zehn Prozent. Auch die gestern vorgelegten Quartalszahlen waren besser als erwartet. Die von der teuren Smart-Sanierung belastete Mercedes-Gruppe kam früher als erwartet in die schwarzen Zahlen.
Schrempps Schritt kam trotz heftiger Kritik überraschend. Branchenbeobachter hatten eher damit gerechnet, dass der Vorstandschef im Jahr 2007 ausscheiden könnte. Der Vertrag von Schrempp läuft bis April 2008. Auf eine Auszahlung des Restvertrages will er verzichten.
Aufsichtsratschef Hilmar Kopper erklärte, Schrempp und das Kontrollgremium seien sich einig, dass Ende 2005 der optimale Zeitpunkt für einen Wechsel in der Führung des Unternehmens gekommen sei. Der ehemalige Deutsche-Bank-Chef will seinen Posten als Aufsichtsratsvorsitzender wie geplant bis April 2007 erfüllen.
Neuer Chrysler-Chef wird der bisherige zweite Mann beim amerikanischen Autobauer, Tom LaSorda. Die US-Führungsspitze wird komplettiert mit dem neuen Vize-Chef Eric Ridenour, der auch Vorstandsrang im Konzern erhält.
Schrempp hat in den zehn Jahren an der Spitze von DaimlerChrysler niemanden kalt gelassen. Für die einen war er ein Visionär, der den Konzern global aufstellte. Aktionäre sahen in ihm dagegen eine Reizfigur. Die 388 000 Mitarbeiter konnten sich trotz Shareholder-Value-Diskussionen auf ihn verlassen. »Rambo« wurde er gescholten. Doch im Juli 2004 verkündeten Schrempp und Klemm Beschäftigungssicherung für 160 000 Mitarbeiter bis 2012.
2004 war trotzdem das schwierigste Jahr in Schrempps 44-jähriger Karriere im Konzern. Als der Aufsichtsrat den 2005 auslaufenden Vertrag des Vorstandschefs Anfang 2004 vorzeitig für drei Jahre verlängerte, murrten viele Aktionäre auf der Hauptversammlung wie noch nie. Dann zog der Autoboss wenig später bei der Beteiligung an Mitsubishi Motors die Reißleine und verabschiedete sich von der Idee der Welt-AG.
Nach seiner Lehre in der Freiburger Mercedes-Benz-Niederlassung studierte Schrempp Maschinenbau und ging in die Zentrale nach Stuttgart. Nach Stationen im In- und Ausland wurde er 1995 Vorstandschef bei Daimler-Benz. Schrempp sanierte den damals stark angeschlagenen Konzern, verkaufte fast alles, was nicht zum Autogeschäft gehörte und schaffte so die Wende.
Die größte Vereinigung von Kleinaktionären, die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, begrüßte Schrempps Rücktritt. Die Kritischen Aktionäre von DaimlerChrysler sprachen von einem längst überfälligen Schritt.

Artikel vom 29.07.2005