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Leitartikel
Massen-»Steuerung« 2005

Wie konntet ihr, wie
könnt ihr nur?


Von Rolf Dressler
Alles - oder wenigstens fast al- les - ist schon mal dagewesen auf Erden. Und doch fällt manches, das sich praktisch identisch zu wiederholen scheint, bei genauem Hinsehen ein wenig anders aus.
Unsere Eltern und Großeltern werden bis heute vorwurfsvoll-anklagend gefragt, weshalb sie einst »den Nazis« so verderblich auf den Leim gegangen seien. Und zwar obwohl die Demagogen-Schreihälse Hitler und Goebbels bei ihren aufhetzerischen Massenkundgebungen doch nur über krächzend scheppernde Lautsprecheranlagen verfügten...
Heute indes - es lebe der klangtechnische Fortschritt! - kommt die Manipulation von Millionen wie nie zuvor auf Samtpfoten daher: perfekte elektronische Beschallung, Nadelstreifen-Redner und Menschheitsbeglücker in klinisch reiner Mikrofon- und Kamera-Pose, farbenprächtige (Wahl-)Propaganda-Inszenierungen, bis den Zuschauern das Herz im Leibe lacht und sich ihnen die Polit-Schausteller möglichst nachhaltig positiv einprägen.
Plötzlich nun tanzen die Mäuse auf den Tischen, seit zwei Extra-Füchse des Geschäfts, die Ost- »Ikone« Gregor Gysi und der West-Stehauf-»Napoleon« Oskar Lafontaine, sich anschicken, Deutschlands Parteien- und Parlamentslandschaft aufzumischen, dass es richtig kracht. Die extreme Linke macht mobil. Und fäustchenreibend frohlockend darf diese Stoßtruppe womöglich sogar auf eine stattliche Zahl von Bundestagssitzen hoffen. Sehr verdächtig nur: Diesmal ruft niemand weit und breit zu einem »Aufstand der Anständigen« auf wie ehedem Bundeskanzler Gerhard Schröder bei seinen flammenden Donnerreden »gegen Rechts«.
Weder er noch unsere sonst so willig deutsch(land)-kritischen geistigen Eliten in Kultur und Wissenschaft werfen sich gegen die Gysi/Lafontaine-Linksaußen-Kohorten mit einem »Wehret den Anfängen!« ähnlich kraftvoll in die Brust wie sonst bei jeder Gelegenheit gegen die »braune Brut« etwa in Gestalt der NPD.
Unappetitliche Zugabe: Nicht nur mit seinem wohlberechneten Dröhnen gegen »die Fremdarbeiter« fischt der Alt-Linke Lafontaine gänzlich ungeniert bei der Wählerklientel von ultra- rechtsaußen. Und das schlägt dem Fass nun wirklich die Krone ins Gesicht, wie der Volksmund ironisch, verärgert oder ratlos zu sagen pflegt.
Man mag es kaum glauben, aber noch vor drei Wochen strahlte die Umfragen-Sonne so hell wie selten zuvor über Angela Merkels Unionsparteien. Sogar die absolute Mehrheit rückte vermeintlich bereits in greifbare Nähe. Doch urplötzlich dreht sich die Stimmung. Zumindest die Grünen und ihr »Superstar« Joseph alias Joschka Fischer sind schon wieder mächtig obenauf. Vergessen und vergeben ist bei den Leuten offenbar der enorme politische und materielle Flurschaden, den der Visa-Skandal angerichtet hat.
Glückliches Sommerschlaf-Deutschland - ach, du wunderbare neue Zeit zwischen Polit-G'schaftlhuberei, Bauernfang und handfester Massen-»Steuerung«.

Artikel vom 27.07.2005