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Kontrollen gibt es nun
auch im Musentempel

Wagner-Festspiele eröffnet - Begeisterung für Isolde

Bayreuth (dpa). Die Eröffnung der Bayreuther Festspiele geriet auch in diesem Jahr zu einem Schaulaufen der Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Showgeschäft. Festspielleiter Wolfgang Wagner begrüßte zur Premiere von Richard Wagners »Tristan und Isolde« erstmals Bundespräsident Horst Köhler und dessen portugiesischen Amtskollegen Jorge Sampaio.

Acht Wochen vor der geplanten Bundestagswahl nutzten vor allem viele Bundespolitiker die Neuinszenierung des Schweizer Regisseurs Christoph Marthaler, um sich vor hunderten von Zaungästen am »Grünen Hügel« selbst in Szene zu setzen. Mit viel Applaus wurde insbesondere Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel in ihrem lachsfarbenen Zweiteiler aus Seide empfangen. Die CDU-Chefin zählt ebenso wie Ex-Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher, Altbundespräsident Walter Scheel und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) zu den Stammgästen in Bayreuth. »Tristan und Isolde« ist Merkels Lieblingsoper. Jahr für Jahr entfliehen auch Bundestags-Vizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne) und der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Günter Verheugen, bei Wagners Musik kurz dem politischen Alltag.
Die Bundesregierung war bei der Eröffnung mit Finanzminister Hans Eichel, Justizministerin Brigitte Zypries (beide SPD) sowie Kulturstaatsministerin Christina Weiss (parteilos) vertreten. Den grünen Koalitionspartner am »Grünen Hügel« repräsentierte Parteichefin Claudia Roth.
Nach den Terroranschlägen in London und Scharm el Scheich sind auch die Sicherheitsvorkehrungen in Bayreuth verschärft worden. Erstmals in der Nachkriegsgeschichte der Festspiele mussten Besucher beim Betreten von Wagners Musentempel Taschenkontrollen über sich ergehen lassen. Die Polizei hatte 250 Beamte im Einsatz.
Mit großem Beifall hat das Publikum gestern die Neuinszenierung »Tristan und Isolde« bei den Bayreuther Festsspielen aufgenommen. Begeisterte Zustimmung erntete vor allem Bayreuths neue Isolde, die schwedische Sopranistin Nina Stemme. Christoph Marthaler (Regie) und Anna Viebrock (Ausstattung) interpretieren Richard Wagners Liebesdrama als eine »Aufhebung der Zeitgesetze«, die ein »Übereinander von Räumen und Gedanken« erzeugt, wie sie in einer Erläuterung selbst schrieben.
Die 30 Vorstellungen bis zum 28. August sind bereits seit Monaten ausverkauft. Neben »Tristan und Isolde« stehen in diesem »Ring«-freien Jahr »Lohengrin« in der Regie von Keith Warner, Claus Guths »Der fliegende Holländer«, Philippe Arlauds »Tannhäuser« sowie Christoph Schlingensiefs eigenwillige »Parsifal«-Inszenierung auf dem Programm. 2006 wird die Tetralogie »Der Ring des Nibelungen« von Tankred Dorst neu inszeniert.
2007 gibt Wolfgang Wagners Tochter Katharina (27) ihr Regie-Debüt in Bayreuth mit den »Meistersingern von Nürnberg«.
www.bayreuther-festspiele.de

Artikel vom 26.07.2005