26.07.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Briten fürchten weitere Anschläge

Polizei hält an Schießbefehl auf mutmaßliche Selbstmordattentäter fest

London (Reuters). Die britische Polizei befürchtet weitere Anschläge, sollten die Attentäter auf Londoner U-Bahnen und Busse trotz einer Großfahndung nicht bald gefasst werden.
Mit Muktar Said Ibraihim hat die britische Polizei einen der vier Rucksackbomber von Donnerstag identifiziert.
»Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit«, sagte eine Polizei-Sprecherin gestern in London. Die Attentäter könnten wieder zuschlagen. Es gebe keinen Grund zu glauben, sie hätten Großbritannien verlassen. Sie könnten in vorbereiteten Verstecken untergetaucht sein. Die Polizei fahndete unter Hochdruck nach den Tatverdächtigen für die Anschläge vom 7. und 21. Juli, bei denen mehr als 50 Menschen getötet wurden. Im Norden der britischen Hauptstadt wurde eine weitere Wohnung durchsucht.
In Großbritannien läuft nach Aussagen der Polizei die größte Fahndung in der Geschichte des Landes. Die Zeitungen waren voll von Fotos der mutmaßlichen Attentäter, nachdem die Polizei die Bevölkerung um Mithilfe gebeten hatte. Am Samstag war ein dritter Verdächtiger festgenommen worden, der an den versuchten Anschlägen vom vergangenen Donnerstag beteiligt gewesen sein soll. Der Verdächtige sei im Süden Londons festgenommen worden, teilte die Polizei mit. Dort waren bereits am Freitag zwei Verdächtige im Zusammenhang mit den Anschlägen in Gewahrsam genommen worden. Den Angaben zufolge handelte es sich bei den Männern aber vermutlich nicht um die gesuchten vier Hauptverdächtigen. Dass es einen fünften Attentäter gegeben haben soll, wollten die Behörden nicht bestätigen.
Auch angesichts der Empörung der brasilianischen Regierung will die Polizei ihren Schießbefehl auf mutmaßliche Selbstmordattentäter nicht aufheben. Es könnte im Zuge der Ermittlungen weitere Tote geben, warnte die Polizei.
Am Freitag hatten Polizisten in einer U-Bahn-Station den 27-jährigen Jean Charles de Menezes mit fünf Schüssen in den Kopf getötet. Der Mann sei aus einem verdächtigen Haus gekommen, habe den Anweisungen der Polizei nicht Folge geleistet und sei daraufhin erschossen worden. »Es wurde ganz klar ein Fehler gemacht, der für immer bedauert werden wird«, sagte Innenminister Charles Clarke. »Aber ich glaube nicht, dass dies heißt, dass wir eine falsche Politik angesichts dieser schrecklichen Umstände betreiben.« Die Familie des Getöteten erwägt, die britische Polizei zu verklagen. Brasilien hat eine Aufklärung des Vorfalls gefordert. Die brasilianische Regierung und das Volk seien schockiert, sagte Außenminister Celso Amorim.
Eine gestern veröffentlichte Umfrage zeigte, dass 71 Prozent der Briten den Schießbefehl auf mutmaßliche Selbstmordattentäter für richtig halten.

Artikel vom 26.07.2005