27.07.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Sopranistin setzt
die Glanzlichter

Bayreuth mit »Tristan und Isolde«

Von Stephan Maurer
Bayreuth (dpa). An der Gewinnerin des Abends gab es keinen Zweifel: Donnernder Applaus und Bravo-Rufe hallten durch das Bayreuther Festspielhaus, als die schwedische Sopranistin Nina Stemme nach der Premiere von »Tristan und Isolde« vor den Vorhang trat.

Die neue Isolde feierte mit makelloser Leistung einen triumphalen Erfolg, in dessen Schatten auch ihr - gleichwohl ebenfalls bejubelter - Partner Robert Dean Smith als Tristan stand. Lautstarken Protest erntete dagegen das Regieteam. Für ihre karge Neuinszenierung mussten sich der Schweizer Regisseur Christoph Marthaler und seine Bühnen- und Kostümbildnerin Anna Viebrock Pfiffe und Buhrufe gefallen lassen.
Der Unmut über die Inszenierung war fast zu erwarten - denn ausgerechnet im »Tristan«, dem großen Liebesdrama der Opernliteratur, lässt das Regieteam keinen Platz für große Gefühle. In einem geschlossenen, beklemmenden Raum - von Akt zu Akt gleichermaßen altertümlicher Ozeandampfer, nächtlicher Treffpunkt der Liebenden und Krankenlager des siechen Tristan - herrschen statt Leidenschaft nur Entfremdung und Vereinzelung. Wie im Wartesaal der Liebe begegnen sich Tristan und Isolde im zentralen zweiten Akt, stehen nebeneinander, ohne sich zu berühren. Ein einziges Mal nur, beim Duett »O sink hernieder, Nacht der Liebe« kommt ganz kurz so etwas wie Intimität auf.
Als ein »simultanes Übereinander von Räumen und Gedanken« hatte Marthaler seine Interpretation angekündigt. Folgerichtig wächst das Bühnenbild, Jahresringen gleich, von Akt zu Akt nach oben. Das Licht ist zentrales Element dieser Inszenierung. Noch einmal flackert es auf, als Tristan sich auf dem Sterbebett mit letzter Energie aufrichtet. Ergreifend auch das Schlussbild: Isolde legt sich in Tristans Bett und zieht sich die Decke über den Kopf - es bleibt offen, ob sie dem Geliebten in den Tod folgt.
Solch starke Szenen entschädigten für vorherige Längen. Zuvor war mancher Regieeinfall verpufft. Isolde schmeißt im Zorn die Stühle um, Brangäne schaltet das Licht ein, Kurwenal rennt gegen die Wand - vieles wirkte eher banal als originell. So blieb es vor allem Nina Stemme überlassen, Glanzlichter zu setzen. Ihre Isolde ist lyrisch, differenziert und ausdrucksstark, mit warmem Timbre und auch in den Höhen sicher und unangestrengt. Ihr schauspielerisches Potenzial konnte die Sängerin allerdings nur andeuten.

Artikel vom 27.07.2005