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Raum für die kleinen Szenen

Starker Salzburg-Auftakt mit den »Geschichten aus dem Wienerwald«

Von Irmgard Schmidmaier
Salzburg (dpa). Als wären sie in ein Spiel geraten, dessen Regeln sie nicht kennen, die aber ihren Weg bestimmen: Die Figuren, die sich in Ödön von Horvaths »Geschichten aus dem Wienerwald« gegenseitig um die Liebe und mitunter ums Leben bringen, sind in der Eröffnungspremiere der Festspiele aus dem Wienerwald gefallen.

Die Schweizer Regisseurin Barbara Frey nimmt in ihrer hoch stilisierten Inszenierung das Wienerische aus Horvaths Zwischenkriegs-»Volksstück« und findet zu einer adäquaten heutigen Form. Mit einem hervorragend abgestimmten Ensemble gelingt ihr ein starker Auftakt zu Martin Kusejs Schauspielprogramm. Ein einzelner Buh-Rufer wurde vom anhaltenden, kräftigen Applaus und vielen Bravos am Ende der dreistündigen Premiere am Montagabend im Salzburger Landestheater schnell übertönt.
Die Bühne von Bettina Meyer ist leer geräumt und von weißen dünnen Holzwänden begrenzt. Die exakten Reihen mit großen runden Löchern erinnern an ein Brettspiel und sorgen für überraschende Einblicke und Auftritte, Schwingtüren ermöglichen unerwartete Auftritte. Zeitlos, ein bisschen trashig (Kostüme: Bettina Walter), ohne zeitgeistig zu werden, treibt Frey ihre Inszenierung mitunter bis zur Groteske. Ein Kunstgriff, der die emotionale und existenzielle Fallhöhe der Figuren noch steigert und der doch Raum lässt für die kleinen, berührenden Szenen zu zweit. Die Figuren sind gegen die Klischees besetzt, Marianne (Juliane Köhler) beispielsweise ist eine fast zu groß und kraftvoll geratene Tochter.
Freys Inszenierung, in Zusammenarbeit mit dem bayerischen Staatsschauspiel München entstanden, bildet den Auftakt zum Schauspielprogramm, das erstmals Martin Kusej verantwortet. Weitere Höhepunkte auf der Theaterbühne sind Kusejs eigene Inszenierung des Grillparzer-Dramas »König Ottokars Glück und Ende« sowie Kleists »Penthesilea« in der Regie von Stephan Kimmig.
Gewitter und starker Regen haben den traditionellen »Jedermann« zur Eröffnung der Festspiele ins große Festspielhaus verbannt. Die teilweise neue Besetzung mit den deutschen Schauspielerinnen Nina Hoss als »Buhlschaft« und Ulrike Folkerts als erster weiblicher »Tod« wurde am Montagabend mit Sympathie, aber unterschiedlichem Applaus begrüßt. Beeindrucken konnte vor allem Folkerts als kalter Tod. Die neue Buhlschaft Hoss ging ihre Rolle kühler und mädchenhafter an als ihre Vorgängerin Veronica Ferres, die mit offensiver Weiblichkeit punktete - ein Stilwechsel, der beim Premierenpublikum nicht auf Gegenliebe stieß.

Artikel vom 27.07.2005