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Verbraucherschutz gestärkt

Karlsruhe spricht Bürgern bei Lebensversicherungen mehr Rechte zu

Von Edgar Fels
Karlsruhe/Münster (WB). Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die Rechte der Bürger bei Lebensversicherungen gestärkt. Nach einem gestern gefällten Grundsatzurteil müssen die etwa 120 Lebensversicherungsgesellschaften in Deutschland ihre Verträge zur Altersvorsorge künftig transparenter gestalten.

Darüber hinaus sollen die Versicherten bei der Ausschüttung ihrer Kapitallebensversicherung am Vertragsende angemessen an den Vermögenswerten der Gesellschaften beteiligt werden. Dies betrifft insbesondere die stillen Reverven der Lebensversicherer. Unter stillen Reserven versteht man die Differenz zwischen Buch- und Marktwert von Vermögensanlagen der Unternehmen.
Der Bund der Versicherten begrüßte die Entscheidung: »Nun besteht Hoffnung für Millionen von Versicherten, dass sie endlich Verbrauchergerechtigkeit bekommen«, sagte Geschäftsführerin Lilo Blunck. Betroffen seien 45 Millionen Kapitallebensversicherungen und - indirekt - noch einmal so viele Kapitalversicherungen auf Rentenbasis.
Nach dem Urteil muss der Gesetzgeber nun sicher stellen, dass in die Berechnung der Ausschüttung am Vertragsende diejenigen Vermögenswerte der Versicherungsunternehmen »angemessen« einbezogen werden, die mit Hilfe der eingezahlten Prämien angehäuft worden sind.
Das Gericht hat dem Gesetzgeber eine Frist bis Ende 2007 gesetzt, entsprechende neue Vorschriften zu erlassen. Bis dahin gilt der jetzige Rechtszustand weiter. Allerdings müsse der Gesetzgeber prüfen, »ob laufende Verträge in den Genuss der Neuregelung kommen können«, verfügten die Karlsruher Richter.
»Verträge, die bis Ende 2007 auslaufen, werden wohl nicht in den Genuss der neuen Regelung kommen«, vermutet Manfred Westphal, Finanzexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen in Berlin. Er nennt das Urteil eine »Ohrfeige an die Praxis der Versicherungsunternehmen, was die Praxis der stillen Reserven angeht«. Bisher, so die Kritik der Verbraucherschützer, blieben die stillen Reserven bei der Berechnung der Ausschüttungen »vollständig außen vor.«
Ob sich die Verbraucher künftig auf eine höhere Überschussbeteilugung ihrer Verträge freuen können, ist nach den Worten von Westphal »nicht unbedingt gesagt. Das Urteil wird aber in jedem Fall zu einer gerechteren Gewinnverteilung auf alle Versicherten führen.«
Auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft betonte gestern, von höheren Ausschüttungen sei nicht auszugehen. Die Versicherungen hätten bisher keine Überschüsse zurückgehalten. Das Urteil beende zudem einen jahrzehntelangen Rechtsstreit in diesen Fragen.
Positiv sieht die LVM Versicherung Münster das Urteil. »Wir haben nichts zu verstecken«, sagte LVM-Fachreferent Hans-Peter Süßmuth. Die LVM unterstütze den Wunsch nach mehr Transparenz. Stille Reserven seien notwendig, um Schwankungen auszugleichen, betonte Süßmuth. Dies sei etwa nach dem Aktiencrash im Jahr 2000 nötig gewesen. S. 4: Hintergrund/Kommentar

Artikel vom 27.07.2005