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Zahnpasta aus
Krabbenschalen

Chitosan entschärft Bakterien

Von Doris Schmidt
Emden (dpa). Auf den ersten Blick ist eine Krabbenschale eigentlich nur Abfall. Für Michael Schlaak sind die faserigen Reste dagegen ein quasi vor der Haustür »nachwachsender Rohstoff«, der sich auch als Müll noch sinnvoll nutzen lässt.

Der Professor und zwei seiner Mitarbeiter vom Emder Institut Umwelttechnik Eutec der Fachhochschule Oldenburg in Ostfriesland mit Ableger in Wilhelmshaven tüfteln seit Jahren an neuen Ideen zur Verwertung der Schalen. Das Forschertrio kam schließlich auf die ungewöhnliche Idee einer Zahnpasta aus Krabbenschalen.
Den Wissenschaftlern waren die überdurchschnittlich gesunden Zähne von Krabbenfischern aufgefallen. »Die Männer haben die Krabben quasi im Mund gepult und roh gegessen. Die Schalen spuckten sie danach aus«, erklärt Schlaak. Der Kauvorgang setze einen Stoff frei, der sich positiv auf die Zähne auswirkt. Aus dem Chitinpanzer der Krabben stellten die Forscher die Substanz Chitosan her. Diese absorbiere Bakterien und unterstütze darüber hinaus die Wundheilung. Außerdem binde Chitosan Schwermetalle wie etwa Quecksilber aus Amalgamfüllungen, haben die Wissenschaftler herausgefunden.
Für die Forschung untersuchten sie zunächst heimische Nordseekrabben. Doch in Ostfriesland erwies sich das Pulen der Tiere und die Gewinnung des Chitosans als zu teuer. Inzwischen wird es aus Kostengründen aus China importiert. In Ostfriesland kontrollieren Prüfer aber noch die Reinheit und Wirkung des Stoffes, bevor er zu Zahncreme verarbeitet wird.
»Nach Fisch schmeckt und riecht die Zahnpasta nicht. Reines Chitosan ist geschmack- und geruchlos«, versichert Schlaak. Zwei Jahre hat es nach Angaben von Schlaak von der Idee bis zur Abfüllung der Krabbenschalen-Zahnpasta gedauert. Kaufen können die Kunden »Chitodent« in Apotheken und über das Internet. Für die Ostfriesen steht die Zahnpasta außerdem in den Regalen eines Emder Supermarktes.
Schlaak hat den Wirkstoff Chitosan auch als Reinigungsmittel für verschmutztes Wasser getestet. Der Professor und sein Team entwickelten einen »Ionentauscher«, der toxische Stoffe aus Gewässern filtern soll. Vermarkten konnten die Forscher ihre Erfindung allerdings nicht: »Weil für Umweltprobleme kein Interesse und kein Geld da ist.«
Trotzdem lassen sich die ostfriesischen Wissenschaftler bei ihren weiteren Forschungen mit den Krabbenschalen nicht entmutigen. Derzeit suchen sie nach Möglichkeiten, Chitosan in der Medizin einzusetzen. Eine konkrete Vorstellung haben sie auch schon: Der Wirkstoff aus den Krabbenschalen soll einmal dabei helfen, künstliche Haut für Verbrennungsopfer herzustellen.

Artikel vom 26.07.2005