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Leitartikel
Bundeswehr im Innern

Streitkräfte
sind nicht
Ersatzpolizei


Von Dirk Schröder
Der weltweite Terror ist eine ernsthafte Bedrohung für die demokratische Gesellschaft - wer wollte das bezweifeln? Um sich vor diesen Gefahren zu schützen, darf es kein Tabu geben, über geeignete Gegenmaßnahmen nachzudenken. So weit kann man der CDU-Vorsitzenden und Kanzlerkandidatin der Union, Angela Merkel, ja noch folgen.
Natürlich müssen wir dem menschenverachtenden Treiben der Terroristen mit aller Härte begegnen. Doch auf besonders grausame Herausforderungen des internationalen Terrorismus haben Politiker immer wieder vor allem mit der Forderung reagiert, das Grundgesetz für Bundeswehr-Einsätze im Innern ändern zu wollen. Das war nach den Terrorangriffen vom 11. September 2001 so, das wiederholte sich nach den Madrider Anschlägen und jetzt neuerlich, nachdem die Terroristen in London und Ägypten zugeschlagen hatten.
Es ist richtig, wir leben in einer Zeit, in der äußere und innere Sicherheit nicht mehr ohne weiteres voneinander zu trennen sind. Auch könnte der Staat gezwungen sein, alle verfügbaren Mittel einzusetzen, um die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten. Dafür aber bestehen bereits heute gesetzliche Regelungen. Bei Unglücksfällen und Umweltkatastrophen hat die Bundeswehr in der Vergangenheit schon häufig geholfen. Und auch für terroristische Angriffe aus der Luft trifft das neue Luftsicherheitsgesetz ausreichende Vorkehrungen.
Wozu also eine Grundgesetzänderung? Entlarvend die Antwort des derzeitigen Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, des baden-württembergischen Innenministers Heribert Rech (CDU). Eine nicht zu unterschätzende Aufgabe sei die Überwachung gefährdeter Objekte. Diese binde Polizeibeamte, die dann für andere wichtige Aufgaben nicht zur Verfügung stünden. Der Einsatz von Streitkräften bei terroristischen Bedrohungen könne die Polizei spürbar entlasten.
Zum einen: Die Bundeswehr klagt schon heute, dass sie mit ihren vielfältigen Aufgaben bis hin zu immer häufigeren Auslandseinsätzen an die Grenzen der Belastbarkeit stößt. Wie soll sie da im Inland auch noch als Ersatzpolizei wirken können?
Zum anderen: Wenn die Polizei tatsächlich nicht in der Lage sein sollte, die innere Sicherheit zu gewährleisten, ist dies ein Offenbarungseid. Und den leisten die Politiker mit ihrem Ruf nach der Bundeswehr. Es ist kein Geheimnis, dass die Polizei über empfindlich zu wenig Personal verfügt und in Überstunden versinkt.
Die Polizei muss personell gestärkt werden, auch wenn das die Länder beträchtliches Geld kostet. Dies muss uns die Sicherheit wert sein. Und bevor über einen Einsatz der Bundeswehr nachgedacht wird, haben wir ja auch noch die Bundespolizei, den früheren Bundesgrenzschutz.
Niemand will die Terror-Bedrohung kleinreden, doch die Gefahr ist noch nicht so groß, dass morgen Panzer durch unsere Straßen patrouillieren müssen.

Artikel vom 26.07.2005