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Rom wirft Berlin Erpressung vor

Streit um Sitz im UN-Sicherheitsrat - Bundesregierung: »Haltlose Vorwürfe«

New York/Berlin (dpa). Italien hat mit dem Vorwurf der Erpressung armer Länder durch Deutschland und dessen UN-Reformpartnern den Streit um die Erweiterung des Weltsicherheitsrates dramatisch verschärft.
Zugleich lösten die Anschuldigungen des italienischen UN-Botschafters Marcello Spatafora einen diplomatischen Konflikt zwischen Berlin und Rom aus. Mit Nachdruck wies die Bundesregierung gestern die Behauptung zurück, Deutschland würde im Streben nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zusammen mit Japan, Indien und Brasilien - die sogenannten G4-Staaten - Entwicklungsländer finanziell unter Druck setzen.
»Dies sind unhaltbare Vorwürfe«, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Jens Plötner. Spataforas Angriffe vor der UN- Vollversammlung seien »grund- und haltlos«. Der Botschafter hatte erklärt, die G4 würden Ländern der Dritten Welt mit der Streichung von Hilfsgeldern drohen, falls diese nicht für die Aufnahme Deutschlands, Japans, Indiens und Brasiliens als ständige Mitglieder in das wichtigste UN-Entscheidungsgremium stimmen sollten.
Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) erklärte: »Deutschland vergibt seine Mittel für Entwicklungszusammenarbeit nach transparenten Kriterien, die international vereinbarten Richtlinien entsprechen. Deutschland habe international einen Ruf als »ehrlicher Makler«.
Auch die deutsche Opposition ging auf Distanz zu Italien. Allerdings warf der CDU-Außenpolitiker Friedbert Pflüger der Bundesregierung vor, das Streben nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat von Anfang an als »ein nationales Prestige-Objekt« betrieben zu haben, »und das ist der Grundfehler«.
Der italienische Botschafter hatte erklärt, am Montag sei die Erpressung schwächerer Länder durch die G4-Staaten erneut aktenkundig geworden. Ein »G4-Geberland« habe einer Regierung, die gegen den Vorschlag der Vierergruppe auftrete, 460000 Dollar für ein Hilfsprojekt gestrichen. Dabei sei es obendrein um ein Projekt für Kinder gegangen.
Dies sei ein Fall von vielen. »Das ist eine Schande. Es ist an der Zeit für alle, denen die UNO am Herzen liegt, aufzustehen und zu sagen: Genug ist genug!« Spatafora forderte UN-Generalsekretär Kofi Annan auf, eine Untersuchung einzuleiten. Er verglich das Vorgehen der G4 mit dem mutmaßlichen Korruptionsskandal beim einstigen Irak-Hilfsprogramm »Öl für Lebensmittel«.
Das Benehmen der G4 sei »eine Beleidigung der Würde aller UN- Mitgliedstaaten«, sagte der Botschafter. Seine Regierung legte gestern nach: Rom verfüge über Beweise für die Erpressungsvorwürfe, sagte ein Sprecher des italienischen Außenamtes. »Sonst hätten wir den Fall nicht ins Rollen gebracht.« Deutschlands UN-Botschafter Gunter Pleuger erklärte: »Dies ist nicht das Niveau, auf dem wir eine politische Debatte führen.«
Derweil hieß es in UN-Kreisen, die G4 und die Afrikanische Union hätten sich weitgehend auf eine Resolution zur Erweiterung des UN-Sicherheitsrates geeinigt, die in der Vollversammlung Aussicht auf die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit hat. Nach einem Treffen des japanischen Außenministers Nobutaka Machimura mit dem Präsidenten der UN-Vollversammlung, Jean Ping, hieß es, über den Text könne in den nächsten Tagen abgestimmt werden. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 28.07.2005