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»Das ist hier doch
kein Urlaub mehr«

Viele Touristen wollen nur noch weg

Scharm el Scheich (dpa). Die Zeiger der Uhr sind auf 1.15 stehen geblieben, das Glas ist zersplittert. An dem Uhrturm am Eingang zum Alten Markt in Scharm el Scheich war der Attentäter in der Nacht zum Samstag vermutlich kurz zuvor in seinem Auto vorbeigefahren, bevor er in der Mitte des Platzes den Sprengsatz zündete.

Die ausgebrannten Teile eines grünen Wagens liegen weit über den Platz verstreut. Im Asphalt klafft ein knapp einen Meter tiefer Bombenkrater.
Gestern Morgen herrscht bereits hektischer Aufräumbetrieb. Arbeiter tragen körbeweise Schutt und Scherben aus den Souvenirgeschäften rund um den Platz. Vor dem Hotel Ghazala, wo der zweite Selbstmordattentäter mit einem Auto in die Eingangshalle gerast war, haben die Behörden eine Sichtwand aufgebaut. Sie wollen nicht, dass noch mehr Fernsehbilder der Zerstörung um die Welt gehen. Die Sorge ist groß, dass der Tourismus, eine der wichtigsten Einkommensquellen des Landes, nachhaltig geschädigt ist.
Viele deutsche Touristen sind aus der Bucht des Todes schon abgereist oder in Hotels umgezogen, die weiter von den Anschlagsorten entfernt liegen. Peter Braune und Iris Dankwart gehören zu den letzten Deutschen, die gestern noch im Hotel gegenüber dem Alten Markt ausharrten.
»Das ist doch kein Urlaub mehr, wir hängen nur rum und hoffen, dass wir bald weg können«, sagt die blonde Frau, die apathisch vor sich hinstarrt und ihr Taschentuch zwischen den Fingern knetet. Die beiden Urlauber aus der Nähe von Leipzig haben die Explosion aus nächster Nähe mitbekommen. »Es war ein mörderischer Knall und eine ganz starke Druckwelle«, sagt Braune. »Ich haben einen riesigen Feuerball gesehen.« Das Fenster in ihrem Zimmer zersplitterte, die dicke Holztür wurde aus dem Rahmen gerissen. Sie liefen ins Freie und wurden von Hotelangestellten zum Strand geschickt.
»Wir waren vor kurzem selbst noch auf dem Markt«, erzählt Braune. »Die Bilder von den Verkäufern dort gehen einem nicht aus dem Kopf.« Vor allem auf dem Markt waren die meisten Opfer ägyptische Angestellte. »Ich kann gar nicht abschalten«, sagt seine Frau. Wenn sie die Bilder von dem Anschlag im Fernsehen sieht, kommen ihr gleich die Tränen.
Die Nacht nach dem Anschlag haben die beiden kaum geschlafen. Weil die Fensterscheiben fehlen, hört man jedes Geräusch, die Klimaanlage läuft auf Hochtouren, damit etwas Kühle zu spüren ist. »Wenn irgendwo eine Tür ins Schloss fällt, bekomme ich jedes Mal einen Schreck. Man ist innerlich so gereizt«, sagt Braune.
Unterdessen versuchen die Verletzten im Krankenhaus von Scharm el Scheich zu verstehen, was eigentlich passiert ist. Der 28 Jahre alte Nady hat einen durchgebluteten Verband um seine linke Hand. Er war vor ein paar Jahren aus Oberägypten nach Scharm el Scheich gekommen, weil es dort Arbeit gab. Jetzt hat er Angst, dass viele Angestellte in den Hotels, Geschäften und Restaurants ihren Job verlieren könnten. »Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wer so etwas tun kann«, sagt er. »Ich bin sehr traurig, mir tun die betroffenen Ägypter und Touristen alle sehr leid.«

Artikel vom 25.07.2005