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Abzocke im Namen Goethes

Jungautor Mario Schmidt entgeht skrupellosen Verlagsmachenschaften

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). Höhen und Tiefen liegen manchmal nah beieinander. Da schwebte Mario Schmidt soeben noch im siebten Himmel, weil ein Verlag mit dem verheißungsvoll klingenden Namen Cornelia-Goethe-Literaturverlag ihm mitteilte, seine Gedichte veröffentlichen zu wollen, um dann wenig später ernüchtert auf dem Boden der Tatsachen zu landen.

5985 Euro sollte er für die Erstveröffentlichung zahlen. Hätte er den druckreif vorliegenden Vertrag unterzeichnet, wäre er wie viele Jungautoren zuvor Opfer einer raffinierten Abzocke geworden.
»Natürlich fühlte ich mich geschmeichelt, für meinen Erstlingsband sogleich das Angebot eines wie mir schien kulturell wichtigen Verlages zu bekommen«, sagt der 45-Jährige. Der Krankenpfleger und alleinerziehende Vater dreier Töchter wandte sich vertrauensvoll ans WESTFALEN-BLATT und bat um Mithilfe bei der Sponsorensuche. Allein, so seine Erklärung, könne er den Betrag nicht aufbringen, sei aber gegebenenfalls bereit, einen Kredit aufzunehmen.
Stolz präsentierte er den Vertrag sowie vermeintliche Verlagsreferenzen. Eine Liste mit bekannten Literatur- und Kunstpreisträgern des Verlags, der ein Unternehmen der Frankfurter Verlagsgruppe Holding Aktiengesellschaft August von Goethe ist und dem weitere wohlklingende Untergruppen angehören, lag bei. Man schmückte sich unter anderem mit Namen wie Günter Grass, Jürg Amann und Friedrich Schorlemmer.
Vertrauen in die Seriosität des Cornelia-Goethe-Literaturverlags vermittelte ein dem Vertrag anheftendes Zertifikat des Bundes deutscher Schriftsteller (BDS). Die (namenlose) Präsidentin bestätigte darin, dass es sich um einen geprüften und empfohlenen Verlagsvertrag handle. Mario Schmidt war beruhigt.
Was er nicht wusste, ist, dass es sich beim BDS keineswegs um die gewerkschaftliche Vertretung der Schriftsteller handelt, die sich im Verband (!) deutscher Schriftsteller (VS) versammeln. Ein Schelm, wer hinter der so uneigennützigen Empfehlung des BDS eine nähere Verbindung zum Zuschussverlag vermutet.
»Wer es wagt, gegen die Machenschaften des Cornelia-Goethe-Literaturverlags vorzugehen, hat sofort eine einstweilige Verfügung am Hals«, weiß der Bielefelder Verleger und Gründer des Pendragon-Verlags, Günther Butkus, aus langjähriger Branchenkenntnis. »Die haben mit ihrer Abzocke Millionen verdient und können sich die besten Anwälte leisten.«
Moralisch verwerflich, rechtlich wasserfest -Ê dagegen ist nichts zu machen. Der Verlag und die Unternehmenszweige der Holding benutzen den Namen Goethes und seiner Schwester Cornelia, um Vertrauen und Seriosität zu erzeugen. Sie setzten auf die Eitelkeit von Autoren, die sich oftmals nach vielfachen zermürbenden Absagen geschmeichelt fühlen, plötzlich in einem scheinbar renommierten Literaturverlag veröffentlichen zu dürfen.
Dass es für viel Geld wenig Gegenleistung gibt, ja, dass die zu entrichtenden Publikationskosten ein Vielfaches der tatsächlichen Kosten übersteigen, wird in der ersten Euphorie leicht übersehen. »Autorenhaus«, die deutsche Ratgeber-Homepage für alle, die schreiben und veröffentlichen, klärt seit vielen Jahren über die windigen Geschäftspraktiken mancher Pseudo- und Zuschussverlage, auch des Cornelia-Goethe-Literaturverlages, auf.
Auch die Staatskanzlei des Landes NRW warnt vor Druckkostenzuschussverlagen: »Üblicherweise schließen Verlage mit ihren Autorinnen und Autoren einen Vertrag, in dem die Honorierung zugunsten des Verfassers festgelegt wird. Sie haben das literarische Werk ausführlich lektoriert und versprechen sich einen Verkaufsgewinn. Druckkostenzuschussverlage dagegen sind lediglich an der Finanzierung durch die Schreibenden interessiert und werden sich nicht um eine Verbreitung der Publikation, Werbung, Pressearbeit und Anschlusslesungen bemühen«, heißt es in dem Schreiben, das Mario Schmidt erreichte, nachdem er das Land Nordrhein-Westfalen um finanzielle Unterstützung angeschrieben hatte.
Auch Mario Schmidt kommt nach kritischer Prüfung zu der Erkenntnis, dass eine Lektorierung seines Lyrikbandes tatsächlich nicht stattgefunden haben kann. Per Vertrag verpflichtet sich der Verlag zur Veröffentlichung und dazu, das Werk im Buchhandel verfügbar zu machen. Vertraglich zugesichert wird auch eine Präsentation bei den Buchmessen in Frankfurt, Basel und Leipzig. Von Vertriebsaktivitäten ist jedoch nicht die Rede.
Wie eine Präsentation des Cornelia-Goethe-Literaturverlags bei der Frankfurter Buchmesse abläuft, davon konnte sich Verleger Butkus unlängst selbst ein Bild machen. »Wir hatten unseren Stand direkt gegenüber. Die Bücher wurden lieblos präsentiert, und täglich fand von 10 bis 18 Uhr eine Dauerlesung statt, wobei jeder Autor nur zehn Minuten lesen durfte, unbeachtet von den Besuchern, die da immer nur vorbeigingen.«
Fazit: Um den Vertrieb seines Lyrikbandes hätte sich Mario Schmidt bei Vertragsabschluss selbst kümmern müssen. Hätte er mehr als die ihm zustehenden 30 Freiexemplare benötigt, hätte er für jedes weitere Autorenexemplar 70 Prozent des Ladenpreises (8,40 Euro) zahlen müssen. »Also noch mal 70 Prozent für ein Buch, das ich durch meinen Beitrag doch schon bezahlt hatte«, wundert sich Schmidt. Für vergütungspflichtige Verkaufsexemplare indes hätte er nur ein Honorar von 30 Prozent des Ladenpreises erhalten. Was dem Bielefelder noch bleibt, ist, »andere vor solchen Verlagen zu warnen.«

Artikel vom 30.07.2005