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Die Blicke richten sich
jetzt nach Karlsruhe

Bundesverfassungsgericht muss über Klagen entscheiden

Berlin (dpa). Nach der Parlamentsauflösung durch Bundespräsident Horst Köhler richtet sich nun der Blick auf Karlsruhe als letzte Hürde auf dem Weg zur Neuwahl am 18. September, nachdem bereits am Freitag erste Klagen beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sind.

Das höchste deutsche Gericht dürfte allerdings einige Wochen für die Entscheidung brauchen. Damit herrscht fast bis zuletzt Unklarheit über die Neuwahl.
Während zahlreiche Politiker auf höchstrichterliche Bestätigung Köhlers setzen, rechnen die Kläger mit einem Nein zur Neuwahl. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg sagte, die Regierung warte das Verfahren in Karlsruhe »in großer Gelassenheit« ab. Indessen heizten die Parteien den Wahlkampf weiter an. Eine Neuwahl wurde in Politik, Wirtschaft und Wählerschaft klar begrüßt. In der Debatte blieb auch ein Selbstauflösungsrecht des Bundestags. Dafür müsste aber das Grundgesetz geändert werden.
Der Staatsrechtler Hans-Peter Schneider, der die SPD-Abgeordnete Jelena Hoffmann vertritt, sagte, wenn sich der Bundespräsident hinter dem Ermessen des Kanzlers verstecke, hätte man es jetzt mit einem Auflösungsrecht des Kanzlers zu tun.
Köhler verweist zwar - ähnlich wie der damalige Bundespräsident Karl Carstens bei der Bundestagsauflösung 1983 - darauf, dass in erster Linie dem Kanzler selbst die Einschätzung seines politischen Handlungsspielraums zustehe. Damit folgt Köhler im Prinzip den Vorgaben, die Karlsruhe aufgestellt hatte. Anders als Carstens setzte er sich aber nicht mit der Begründung des Kanzlers auseinander.
Köhler hatte seinen Schritt mit den gewaltigen Aufgaben in Deutschland und dem von Schröder selbst beklagten mangelnden Rückhalt in der eigenen Koalition begründet.
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse sagte, falls Karlsruhe die Neuwahl ablehne, träte eine schwierige Situation ein. Dann entschiede Karlsruhe gegen drei andere Verfassungsorgane: Bundestag, Bundeskanzler und Bundespräsident.
Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) sagte: »Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Karlsruher Richter dem Bundespräsidenten folgen werden.« Die inhaltliche Frage, ob Schröder noch das stetige Vertrauen seiner Koalition hatte oder nicht, liege nicht in der Hand des Gerichts. »Das musste der Bundespräsident überprüfen.« Die Richter könnten nur sagen, ob er rechtsfehlerhaft gehandelt habe. »Das sehe ich nicht«, sagte der Jurist Struck.
CDU-Generalsekretär Volker Kauder nannte Köhlers Erklärung »beeindruckend«. Er habe klar gemacht, »dass jetzt der Wähler aufgerufen ist und er hat um einen fairen Wahlkampf gebeten«.

Artikel vom 23.07.2005