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Ostwestfalen-Lippe hat
den Vorreiter gespielt

Heute im Gespräch: NRW-Wirtschaftsministerin Thoben

Düsseldorf (WB). Im Mittelpunkt der Wirtschaftsförderung in Nordrhein-Westfalen stehen nach Aussagen der neuen Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) die kleinen und mittleren Unternehmen. Um sie zu fördern, muss bei anderen bestehenden Programmen gekürzt werden, sagte Thoben in Düsseldorf im Interview mit Bernhard Hertlein.

Sie beklagen den Wildwuchs an Initiativen und Programmen, mit denen die Wirtschaft vom Land durch Steuergelder gefördert wird. Wo wollen Sie schneiden - und gibt es Plätze, wo Sie neues pflanzen wollen?Christa Thoben: Für einen abschließenden Plan zum Schneiden und Bepflanzen ist es zu früh. Im Augenblick sind wir noch bei der Bestandsaufnahme.

     Wie sieht diese aus?Christa Thoben: Es gibt in NRW eine ziemliche Fülle von Initiativen, die aber kaum gegeneinander abgegrenzt sind. Dazu kommen noch 16 Regionalagenturen mit einer Zuständigkeit für die Wirtschaftsförderung. Mein Ziel ist es, die vorhandenen Überschneidungen abzubauen und künftige Programme auf die kleinen und mittleren Unternehmen zu konzentrieren. Außerdem soll die Abwicklung sämtlicher Fördermaßnahmen auf die NRW-Bank übertragen werden. Die Fachleute dort arbeiten wesentlich effizienter.
Hier im Ministerium war bisher nicht mal ein schneller Datenabgleich möglich. Es muss verhindert werden, dass Projekte zwei Mal gefördert werden. Das ist weder sinnvoll noch rechtlich zulässig. Bei einer Bank läuft der Datenabgleich ganz automatisch nebenbei.

Können Sie etwas konkreter fassen, welche Fördermaßnahmen auf den Prüfstand gestellt werden? Regional bedeutsam ist in OWL beispielsweise ZiMit für die Exportförderung der Möbelindustrie . . .Christa Thoben: Bei allen Initiativen, die im Wesentlichen dazu dienen, die Kenntnis voneinander und untereinander in einer Branche zu vertiefen, wollen wir die Förderung nicht sofort beenden, aber doch langsam auslaufen lassen. Wenn diese Netzwerke so wichtig sind wie oft genug vorgetragen wird, dann müssen sie sich nach einer Anschubfinanzierung durch das Land selbst tragen. Dies gilt im Grundsatz auch für gemeinsame Initiativen im Export. Wir tun das nicht aus Böswilligkeit, es fehlen schlicht die Mittel.

Ein anderes regionales Projekt betrifft den Bürokratieabbau in der »Modellregion Ostwestfalen-Lippe«. Werden Sie die Vorschläge der Wirtschaft 1:1 umsetzen?Christa Thoben: Ja - und zwar in ganz NRW. Ostwestfalen-Lippe hat hier den erfolgreichen Vorreiter gespielt. Die OWL-Marketing GmbH ist im richtigen Moment aktiv geworden und hat unter den Unternehmern in der Region engagierte Mitstreiter gefunden. Die Vorarbeit, die hier geleistet wurde, ist exzellent. Vergleichbare Projekte in allen Regionen des Landes - das wäre schon schön.
Wir im Ministerium prüfen derzeit in einer kleinen Arbeitsgruppe, welche zusätzlichen Vorschläge aus OWL nur auf Bundesebene umgesetzt werden können. Für die entsprechenden Änderungsvorhaben -Êetwa die Vereinfachung des umfangreichen Berichtswesens, das vor allem kleine und mittelständische Unternehmen belastet -Êwill NRW nach entsprechender Prüfung in Berlin initiativ werden.

   Nach dem 18. September?Christa Thoben: Nach dem 18. September, an dem voraussichtlich die Bundestagswahlen stattfinden, ist die Aussicht, dass wir damit Erfolg haben, sicher größer. Daran arbeiten wir.

Jetzt ist die Konjunktur schwach. Doch wenn sie endlich anzieht, haben Mittelständler das Problem, an Kapital zu kommen. Haben Sie Ideen, wie das Land helfen kann?Christa Thoben: Ich führe darüber bereits Gespräche mit der ganz normalen Kreditwirtschaft. Auch die Banken erkennen sie zusehends, dass sie bei der Entwicklung von Finanzierungsinstrumenten für den Kreditbedarf kleiner und mittelständischer Unternehmen Defizite haben, die es zu beheben gilt.
Gleichzeitig finden Ende Juli und Anfang August Gespräche zwischen dem Ministerium und der NRW-Bank statt. Dabei geht es vor allem um Darlehen, die einer sehr frühen Phase benötigt werden -Êdann wenn ein kleines oder mittelständisches Unternehmen eine Idee hat und Geld braucht, um ein Produkt oder eine Dienstleistung entwickeln zu können. Keiner weiß natürlich zu diesem Zeitpunkt so ganz genau, ob das Projekt ein Erfolg wird. Den Banken fehlt ein Instrumentarium, um -Êbei Beachtung der Risiken -Êden Unternehmern weiter zu helfen. Hier arbeiten wird mit der NRW-Bank daran, zusätzliche Finanzhilfen zum Einsatz zu bringen.

Geld ist vorhanden?
Christa Thoben: Dann muss eben Anderes weniger gefördert werden. Die Aufgabe ist uns aber wichtig. Wir können den Strukturwandel in NRW nur meistern, wenn dort, wo Altes nicht mehr konkurrenzfähig ist, Neues entsteht. Ideen sind vorhanden, nicht zuletzt an unseren Fachhochschulen und Universitäten. Sie brauchen nur für die Startphase etwas Geld - und daran darf eine Erfolg versprechende Unternehmensgründung nicht scheitern.

Artikel vom 23.07.2005