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Das Gedächtnis der Natur
ist in Frankfurt gespeichert
Senckenbergmuseum verfügt über 20 Millionen Exponate und Dokumente
Wenn der werte Herr von Goethe eine Anregung gab, so möchte man meinen, er habe die Literatur oder zumindestens die Kunst im Allgemeinen im Auge gehabt.
Mitnichten! Ihm ging es auch um die Naturwissenschaft. Denn es war niemand Geringerer als Deutschlands berühmtester Dichter, der sich in seiner Geburtsstadt Frankfurt 1816 Gedanken »Über Kunst und Altertum in den Rhein- und Main-Gegenden« machte. In diesem Aufsatz empfahl er, vorhandene naturkundliche Sammlungen zusammenzuführen und einer wissenschaftlichen Arbeit zugänglich zu machen.
17 Frankfurter Bürger verschiedener Stände und Berufe machten nur ein Jahr später Nägel mit Köpfen und gründeten die Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft. Ihren weltweit bedeutenden Rang untermauerte sie durch die Mitgliedschaften von Charles Darwin und Alexander von Humboldt.
Die bis heute ungebrochene Popularität indes ist auf die einzigartige Sammlung von etwa 20 Millionen naturkundlichen Exponaten und Dokumenten zurückzuführen, deren wertvollste Stücke im Frankfurter Senckenbergmuseum zu sehen sind und die derzeit in einer Datenbank erfasst wird. Sie bildet ein »Gedächtnis der Natur«, in dem auch bereits ausgestorbene Tier- und Pflanzenobjekte archiviert sind.
Schon der Grünstreifen vor dem imposanten Museumsbau lohnt intensive Betrachtung. Zwar bleckt dort auch ein Tyrannosaurus Rex fotogen seine Zähne Richtung Messeturm, doch Beispiele von zwei Milliarden Jahre altem Bändereisenerz oder 3,5 Milliarden Jahre alten Stromatolithen, die in der erdgeschichtlichen Frühzeit die ersten Riffstrukturen der Welt bildeten, verdeutlichen, dass es den Wissenschaftlern in diesem Museum um mehr geht, als ein Kuriositäten- und Raritätenkabinett zu führen. »Das Senckenberg« präsentiert die umfangreichste Ausstellung von Großgruppensauriern in Europa. Dazu gehört auch eine der wenigen weltweit bekannnten Sauriermumien.
Das gleichnamige Forschungsinstitut stellt den wissenschaftlichen Hintergrund für das Naturmuseum und hat neben Frankfurt noch einen festen Standort in Wilhelmshaven mit zwei weiteren Abteilungen für Meeresforschung, betreibt Quartärpaläontologie mit einem Schwerpunkt auf Großsäugern in Weimar sowie eine Außenstelle für Mittelgebirgsforschung bei Biebergemünd im hessischen Spessart. Außerdem wird das UNESCO-Weltnaturerbe »Grube Messel« federführend von Wissenschaftlern des Senckenberg-Forschungsinstituts betreut.
Zu den populärsten Exponaten gehört die ausgestopfte Anakonda, die ein ganzes Schwein verschlingt. Aber es gibt auch ein Zeitrad, an welchem man drehen darf, um die Veränderung der Kontinentalstruktur über 500 Millionen Jahre zu beobachten. So war die Landmasse vor 250 Millionen Jahren weitgehend homogen und auf den heutigen Bereich von Europa, Westrussland, Afrika, die Antarktis und Australien beschränkt. Erst in der Folge bildeten sich die Erdteile und drifteten auseinander.
Spannend ist der Blick in die Zukunft: Schon bald wird das Mittelmeer austrocknen. In 100 Millionen Jahren sind Europa, Afrika und Asien verschmolzen, liegt Australien südlich des Kaps der Guten Hoffnung. Weitere 150 Millionen Jahre später bilden alle Erdteile einen Klumpen mit einem riesigen See in der Äquatorialgegend. Als einziger Ozean überlebt der Pazifik, der auch die Pole überschwemmt.
Was wäre ein naturkundliches Museum ohne Tierpräparate? Da gibt es die größte Spinne der Welt (Laotische Riesenkrabbenspinne »Heteropoda maxima«) ebenso zu sehen wie einen friedlich dreinblickenden Löwen und eine beeindruckende Vielzahl von Vögeln. Das wertvollste Exemplar ist jedoch eines von weltweit nur 20 erhaltenen Quaggas. Die Unterart des Steppenzebras wurde ausgerottet, weil seine Haut sich zur Herstellung von Getreidesäcken eignete. Das letzte Exemplar starb 1883 im Zoo von Amsterdam.
Übrigens: Weil das Senckenbergmuseum kein Museum wie ein anderes ist, bleibt es auch am Montag für die vielen interessierten Besucher geöffnet! Thomas Albertsen

Artikel vom 30.07.2005